Valerie Pachner: „Kunst hat etwas Weiches“

(c) die Presse (Carolina Frank)
  • Drucken

Berlin, London, Übersee: Valerie Pachner erobert die Filmwelt. In das Jahr startet sie mit „Der Boden unter den Füßen“, einer Absage an die erfolgsberauschte Arbeitswelt.

Funktionieren um jeden Preis, und das in einer Umgebung, in der für persönliche Befindlichkeiten kein Raum vorgesehen ist: So skizziert Marie Kreutzer das Leben von Unternehmensberatern zwischen Konkurrenzwahn, Skrupellosigkeit und Heimatlosigkeit in ihrem neuen Spielfilm. „Der Boden unter den Füßen" lief kürzlich im Hauptbewerb der Berlinale und feierte dort seine Weltpremiere, er wird Mitte März die Diagonale in Graz eröffnen und erhält vielerorts ausgiebig Vorschusslorbeeren. Die Geschäftswelt, wie Kreutzer sie zeichnet und in der ihre Hauptfigur Lola, gespielt von Valerie Pachner, sich behaupten muss, ist kein Ort, der zum Verweilen einlädt. Und er ist schon gar keiner, in dem man irgendwelche Schwächen zeigen sollte oder sich angreifbar machen.

Genau das glaubt Lola aber zu tun, sobald sie die Existenz ihrer älteren Schwester Conny (Pia Hierzegger) anerkennt: Conny hat wegen einer Psychose in den Augen Lolas und ihrer Umgebung wohl aufgehört „zu funktionieren". Aus der Perspektive einer unablässig Getriebenen, für die sich, wie es einmal heißt, schon ein Burn-out-Syndrom anfühlen würde „wie Lepra", ist die Situation ihrer Schwester ein Damoklesschwert. Ihrer Vorgesetzten und Liebhaberin (Mavie Hörbiger) verschweigt sie Conny ebenso wie allen anderen Kollegen: Damit wird die Schwester aus der Ferne zu einer ebenso schambesetzten und zensurierten Person, wie es die weggesperrte Ehefrau von Mister Rochester in Charlotte Brontës „Jane Eyre" als sprichwörtliche „madwoman in the attic" („die Verrückte auf dem Dachboden") war: Diese Parallele zwischen der Geschäftswelt des 21. Jahrhunderts und einer der berühmtesten Romanhandlungen aus dem frühen viktorianischen Zeitalter ist bemerkenswert. Der zentrale Punkt von Marie Kreutzers gesellschaftskritischem Ansatz als Filmschaffende ist somit die Darstellung einer Lebensform, die alle Beteiligten dazu zwingt, ihre Schwächen, und damit auch eine authentische Gefühlswelt, in einem hermetisch verschlossenen Raum wegzusperren.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.