Jugendliche helfen selten gegen Online-Mobbing

Symbolbild.
Symbolbild.(c) imago/Reporters (imago stock&people)
  • Drucken

Jugendliche befürchten, sich zu blamieren und selbst zum Opfer zu werden. Um Hilfe zu bitten sei ein No-go. Wenn sie eingreifen, dann mit privaten Nachrichten – oder außerhalb des Internets.

Wien. „was ist das für eine HÄSSLICHE SCHEISSE??? häng dich auf du fette Sau du bist es nicht wert“: Brutale Nachrichten wie diese kursieren im Internet – und sie gehören für viele Jugendliche heute zur Lebensrealität. Jeder achte 15-Jährige ist in Österreich laut internationalen Zahlen schon einmal mit Textbotschaften oder mit Bildern gemobbt worden. Trotzdem kommen Jugendliche anderen, die im Netz öffentlich gedemütigt werden, noch seltener zu Hilfe als bei Übergriffen im echten Leben – nämlich so gut wie nie. Warum, das zeigt eine aktuelle Studie, für die ein Forschungsteam um die Soziologin Ulrike Zartler von der Uni Wien Jugendliche in Diskussionen, Workshops und einer Online-Studie mit 1900 Teilnehmern befragt hat.

Angst vor Handyverbot

Ein Grund ist, dass die Jugendlichen befürchten, durch Zivilcourage selbst zum Opfer zu werden. Das liegt unter anderem am fehlenden Kontext: Online sehe man nicht, ob die Angriffe vom Adressaten überhaupt ernst genommen werden. Gerade Burschen beschimpften einander im Netz gegenseitig oft aus Spaß. „Wer hier den Kontext falsch versteht, blamiert sich schnell und läuft Gefahr, selbst zum Opfer zu werden“, sagt Koautorin Christiane Atzmüller. Viele hätten außerdem das Gefühl, durch ein Eingreifen die Opferrolle des Angegriffenen noch zu zementieren: „Opfer zu sein ist armselig, um Hilfe zu bitten ein No-go.“

Anders als im echten Leben wird der Einsatz für andere im Internet nicht durch gesellschaftliche Anerkennung belohnt. Es gibt auch keine sichtbare Entspannung der Situation. Alternativen zum aktiven öffentlichen Dagegenhalten werden ebenfalls selten genutzt: Meldefunktionen diverser Plattformen werden kaum ernst genommen. Erwachsene werden ebenfalls wenig involviert – unter anderem aus Angst, dass Handyverbot und damit quasi sozialer Ausschluss die Konsequenz sein könnten.

Die Jugendlichen nehmen die Online-Angriffe dafür irgendwann nicht mehr ernst und stumpfen ab. Die Schattenseite: So wird laut den Forscherinnen die Hemmschwelle immer weiter verschoben. Dazu kommt eine Art Täter-Opfer-Umkehr nach dem Motto: „Wer das ernst nimmt, ist selbst schuld.“ Sogar wenn etwa Nacktfotos oder Bilder von Musliminnen ohne Kopftuch verbreitet werden, werde der Fehler vielfach bei den Mädchen gesucht – und nicht beim Täter.

Mädchen helfen öfter

Wenn Jugendliche bei Cybermobbing eingreifen, dann vor allem, wenn Freunde oder Familienmitglieder Ziel von Angriffen werden oder wenn es sich um gewisse No-go-Situationen handelt – etwa um Tierquälerei, Vergehen gegen Kinder oder um die Darstellung sexueller oder physischer Gewalt. Mädchen zeigen im Internet generell öfter Zivilcourage – sei es in Form von Kommentaren unter einem Posting, Meldungen von Videos oder Blockieren.

Viele Unterstützungsmaßnahmen finden laut den Forscherinnen außerdem in der realen Welt statt – auch wenn das Mobbing online passiert, werden Online-Interventionen dagegen häufig als wirkungslos eingeschätzt. Online bedeutet Zivilcourage demnach derzeit am häufigsten, dass dem Opfer in privaten Nachrichten Mut zugesprochen wird. (APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.