Krebsarten für ein Viertel aller Todesfälle verantwortlich

Illustration einer Krebszelle
Illustration einer Krebszelle(c) imago/Westend61 (Spectral)
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Rund 40.000 Österreicher erkranken pro Jahr an Krebs - eine Vielzahl der Fälle könnte verhindert werden, alleine durch eine Änderung des Lebensstils, sagt Krebsforscherin Maria Sibilia. Auch neue Diagnostik und Therapien geben Hoffnung.

Wien. Jemanden zu finden, der in seinem Bekanntenkreis niemanden hat, der von einer Form von Krebs betroffen ist, stellt nicht nur in Österreich eine Herausforderung dar. Das liegt daran, dass heute mehr Karzinome diagnostiziert werden, die früher unerkannt geblieben sind. Und am Lebensstil. „Viele Krebse könnte man verhindern, würden die Menschen gesünder leben und etwa mit dem Rauchen aufhören“, sagt Maria Sibilia, Leiterin des Instituts für Krebsforschung an der MedUni Wien.

Doch wie viele Krebsarten gibt es eigentlich? Wie viele Österreicher sind betroffen? Welche Therapien sind etabliert, an welchen wird geforscht? Ein Überblick.

Rund 200 bekannte Krebsarten

Die Arten von Krebs in eine Zahl zu gießen, ist nicht einfach. Denn sie können so individuell ausfallen, wie es die Menschen sind, die an ihnen erkranken. Anders ausgedrückt: „Es kommt darauf an, wie man zählen möchte“, sagt Krebsforscherin Sibilia. „Es ist durchaus korrekt, von Lungenkrebs im Allgemeinen zu sprechen, wird können ihn aber auch nach seiner Zellstruktur klassifizieren, woraus sich dann schon mindestens drei Subkategorien ableiten lassen: das Plattenepithel-, das Adeno- und das kleinzellige Karzinom.“ Weitere Unterscheidungen ergeben sich auf die genetische Ebene des Krebsgewebes. Werden sie alle mitgezählt, lässt sich von aktuell geschätzt 200 bekannten Krebsarten sprechen, wobei die in Österreich häufigsten der Prostata-, Brust-, Lungen- und Dickdarmkrebs sind.

Mehr als 40.000 Neuerkrankungen pro Jahr

In Österreich erkranken jährlich mehr als 40.000 Menschen an Krebs, davon entfielen zuletzt 21.652 Männer, 19.066 auf Frauen. Bei Männern ist die häufigste Krebserkrankung seit 1994 der Prostatakrebs (2016 waren es 5245 Fälle), bei Frauen führt Brustkrebs seit jeher die Statistik an (2016: 5558 Fälle). Auf den Plätzen zwei und drei folgen bei beiden Geschlechtern Lungen- und Dickdarmkarzinome. Die Zahlen sind die aktuellsten für Österreich und wurden im Jänner 2018 von der Statistik Austria publiziert. Ihre Grundaussage: „Die Zahl der Neuerkrankungen ist in den letzten Jahrzehnten sehr gestiegen, da mehr Krebserkrankungen diagnostiziert werden können, die früher unerkannt geblieben sind“, sagt Sibilia. Hinzu kommt: „Zum einen wird die Gesellschaft immer älter, zum anderen gefährden wir uns selbst durch Tabakkonsum, Übergewicht und Umweltverschmutzung.“

Ein Viertel der Todesfälle in Österreich

Derzeit sind Krebserkrankungen für rund ein Viertel der jährlichen Todesfälle in Österreich verantwortlich. 2016 verstarben 10.708 Männer und 9352 Frauen daran – wobei letztere vor allem an Brustkrebs verstarben, während bei Männern der Lungenkrebs die häufigste Todesursache darstellte. „Tendenziell gehen aber das Risiko einer Neuerkrankung und das Sterblichkeitsrisiko zurück“, betont Sibilia. So lebten zum Jahresende 2016 rund 350.600 Personen mit der Diagnose Krebs; bei etwas mehr als der Hälfte handelte es sich um eine Form von Darm-, Lungen-, Brust- oder Prostatakrebs. „Die Überlebensraten sind hierzulande sehr gut“, betont die Forscherin und interimistische Leiterin des Comprehensive Cancer Center (CCC): „61 Prozent der Patienten mit Krebsdiagnose überleben mehr als fünf Jahre.“ Im europäischen Vergleich ist Österreich damit auf Platz vier hinter Schweden, Island und Frankreich.

(Etwas mehr als) fünf Behandlungsarten

Grob gesprochen kennt die Medizin derzeit fünf Vorgehensweisen bei Krebs: „Die beste Option ist die Operation, danach folgen Chemo- und Strahlentherapie, die zielgerichtete- sowie die Immuntherapie“, zählt Sibilia auf. „Die Tendenz geht aber zur Kombination – sprich: zur personalisierten Krebsbehandlung.“ Dahinter verbirgt sich eine maßgeschneiderte Therapie auf Basis molekularer Diagnostik für den Einzelnen, die all seine speziellen Bedürfnisse abdecken soll. „Sogenannte Signaltransduktionshemmer blockieren Botenstoffe, die für Wachstum und Überleben der Krebszellen zuständig sind“, so Sibilia, „doch die Tumore sind schlau und finden immer neue Wege, sich zu vermehren und dem Immunsystem zu entwischen“.

Genau an der Immuntherapie wird aktuell weltweit gefeilt. Der Ansatz: Da Krebszellen stark veränderte Zellen sind, müssten sie vom körpereigenen Abwehrsystem bekämpft werden. Oft werden sie das nicht, da die Antigene der betroffenen Zellen nicht als „fremd“ erkannt werden oder die Tumore gelernt haben, Schutzwälle gegen das Immunsystem des Körpers aufzubauen. Um sie einzureißen, wird mit „Check-Point-Inhibitoren“ versucht die Fluchtmechanismen des Tumors einzudämmen.

Rund 90 Prozent sterben an Metastasen

Derzeit sind etwa 6000 Medikamente zur Behandlung von Krebserkrankungen in Entwicklung, etwa 600 davon werden bereits in Vergleichsstudien zu herkömmlichen Therapiearten erprobt. „Die Onkologie und die Krebsforschung sind ruhelose Fächer“, sagt Sibilia. „In Wien arbeiten wir intensiv daran, die Resistenzmechanismen von Krebszellen, also die Art, wie sie ihre Schutzwälle bauen, zu verstehen.“ Ein weiterer Punkt: „Rund 90 Prozent der Menschen, die an Krebs sterben, sterben nicht am Primärkarzinom, sondern an den Metastasen – daher konzentrieren wir uns auf ihre Erforschung. Es ist ein Rennen, in dem wir gut unterwegs sind.“

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