Auf der Butterseite der Grünen Insel

Cork City: In den Gässchen der heimlichen zweiten Hauptstadt Irlands stößt man auf eine reiche kulturelle und kulinarische Szene (Mitte).
Cork City: In den Gässchen der heimlichen zweiten Hauptstadt Irlands stößt man auf eine reiche kulturelle und kulinarische Szene (Mitte).(c) Erich Ebenkofler
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Das mediterrane Flair der irischen Grafschaft Cork ist ein magischer Anziehungspunkt für Besucher aus aller Welt. Man lauscht Geschichten über Butterhandel, den Untergang der Titanic und erfreut sich an irisch-britischer Gartenkunst.

Wer Peter Foynes nach einer besonderen Trademark Irlands befragt, bekommt eine eindeutige Antwort: „Butter.“ Als Direktor des ersten und einzigen Buttermuseums Irlands mag Foynes zwar etwas befangen sein, blickt man aber einige Jahrhunderte zurück, ergibt seine Antwort durchaus Sinn. Nicht Whisky oder Guinness dominierten vom 17. bis ins späte 19. Jahrhundert das Bild der Grünen Insel, sondern gesalzene Butter.

Das Zentrum der irischen Butterindustrie – wenn man sie so nennen mag – befand sich ebendort, wo jetzt das Museum steht, in Cork City. „Von hier aus wurden im 18. und 19. Jahrhundert viele Tonnen irischer Butter in die ganze Welt verschifft“, erfährt man von Foynes bei einem Rundgang durch das Museum. Irische Butter wurde nicht nur nach Großbritannien, sondern auch nach Übersee, in die Karibik bis nach Brasilien und sogar Australien exportiert. „Butter aus Cork entwickelte sich daher zur ersten, weltweit bekannten Marke Irlands.“

Parkanlage auf Garinish Island.
Parkanlage auf Garinish Island.(c) Ebenkofler

Einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hatte eine Händlervereinigung aus Cork, die sich um 1770 zusammentat und eine Butterbörse, die Cork Butter Exchange, gründete. Deren Regularien waren streng und sahen unter anderem vor, dass die angelieferte Butter den Hafen erst verlassen durfte, nachdem sie öffentlich kontrolliert, in Qualitätsklassen von eins bis fünf eingeteilt und mit dem Markensiegel von Cork versehen worden war. Wer dagegen verstieß, musste mit Strafen rechnen oder wurde vom Handel ausgeschlossen. „Die Butterhändler von Cork waren somit die ersten Kaufleute der Neuzeit, die vor dem Verkauf eine Art Lebensmittelkontrolle durchführten“, erläutert Museumsdirektor Foynes.

Beliefert wurde die Börse von mehr als 70.000 Bauern aus ganz Irland, vor allem aber aus dem County Cork selbst und dem benachbarten County Kerry. Jährlich verließen rund 400.000 Holzfässer Butter mit einem Gewicht von etwa 25 Kilogramm, Firkins genannt, den Hafen von Cork und bescherten der Börse etwa im Jahr 1875 einen Umsatz von umgerechnet 1,5 Millionen Euro. Das 1997 gegründete kleine, aber feine Museum im historischen Stadtteil Shandon in nächster Nachbarschaft zum Gebäude der ehemaligen Butterbörse setzt dieser Zeit ein Denkmal mit zahlreichen historischen Artefakten der Butterproduktion und des Handels, die bis ins frühe Mittelalter zurückreichen.

Teekränzchen auf der Crowley-Farm

Die bäuerliche Milchwirtschaft ist auch heute noch eine wesentliche Säule der irischen Wirtschaft. Wer sich einen Eindruck von den aktuellen Produktionsbedingungen verschaffen möchte, ist bei einer der Farm Tours richtig, die einige Bauern der Region West Cork in Zusammenarbeit mit lokalen Tourismusbüros anbieten. Da ist beispielsweise die Farm von Michael und Marguerite Crowley, deren Milch mit mehreren Qualitätssiegeln bedacht wurde. Der Hof in der Nähe von Skibbereen, den man in einer guten Autostunde von Cork kommend erreicht, liegt in einer malerischen Hügellandschaft, die wirkt, als wäre sie direkt einem Prospekt entsprungen.

Er umfasst insgesamt 74 Hektar, von denen 44 Hektar den rund 150 Milchkühen der Rassen Jersey und Holstein als Weide vorbehalten sind. „Wir produzieren im Jahr circa 750.000 Liter Milch, die wir an eine benachbarte Molkerei liefern“, erzählt der Farmer stolz beim Teekränzchen im Wohnzimmer der Familie, für das seine Frau eine kleine Tafel mit Kostproben aus hofeigener Produktion angerichtet hat. Pro Liter erhält er etwa 35 Cent. Tatkräftig unterstützt wird das Ehepaar dabei von ihren drei Söhnen und zwei Töchtern. Nach einem Rundgang auf der Farm geht es im Traktoranhänger auf die Weide zu den eigentlichen „Milchproduzenten“. Es scheinen glückliche Kühe zu sein: ungerührt, wenn nicht gar gelangweilt auf die nachmittäglichen „Zaungäste“ blickend, widmet sich die schwarzbunte Herde ihrem täglichen Geschäft, dem Grasen.

Farmidyll in der Nähe von Skibbereen
Farmidyll in der Nähe von Skibbereen(c) Ebenkofler

Doch zurück nach Cork. Dass sich die 126.000-Einwohner-Stadt im Süden Irlands schon sehr früh zu einem Zentrum des Butterhandels entwickeln konnte, verdankt sie vor allem ihrem Hafen: Es handelt sich um den zweitgrößten Naturhafen der Welt. Dank der florierenden Exportwirtschaft war Cork lange Zeit die einwohnerstärkste Stadt Irlands, weshalb sie heute noch von den Einheimischen als „real capital“, als eigentliche Hauptstadt, Irlands gesehen werde, erzählt Arthur Little, Geschäftsführer des im Zentrum von Cork gelegenen Hotels Isaacs. „Dubliner wie mich behandeln sie daher grundsätzlich mit einer gewissen Herablassung“, meint er mit einem nachsichtigen Schmunzeln.

Auswanderer und Deportierte

Von Cork Harbour exportiert wurden aber nicht nur Waren, sondern auch Menschen. Vor allem während und nach der großen Hungersnot in den 1840er-Jahren schwoll der Auswandererstrom massiv an. Schätzungen gehen davon aus, dass rund drei Millionen Iren das Land über den Hafen von Cork verlassen haben. Nicht alle gingen freiwillig. Dazu gehörten etwa jene Unglücklichen, die auf Spike Island, einer 103 Hektar großen Insel am Eingang der Bucht von Cork, interniert waren. Das ehemalige Fort der Insel wurde von den Briten als „Zwischenstation“ für verurteilte Kriminelle genutzt, die in die Strafkolonien, vor allem nach Australien, verschifft werden sollten. Die Lage der Gefängnisinsel, aber auch die Brutalität, der die Insassen dort ausgesetzt waren, bescherte dem Eiland im Volksmund schnell den Spitznamen Irisches Alcatraz.

Sein Status als Gefängnis und militärischer Stützpunkt blieb der Insel auch nach der Unabhängigkeit Irlands erhalten – erst 2004 wurde die Anlage geschlossen. Ab 2010 wurde der ehemalige Gefängniskomplex dann touristisch als Museum erschlossen. So kommt es, dass heute vom Pier in Cobh, einem malerischen Vorort von Cork, dort, wo einst die mit Fußketten aneinandergebundenen Gefangenen auf ihre Überfahrt gewartet haben, kleine Fähren ablegen, damit sich brave Bürger auf der Suche nach einer kleinen Gänsehaut selbst ein Bild von den einstigen Haftbedingungen machen können. Im Rahmen geführter Touren durch den weitläufigen Komplex können unter anderem die Kasematten des Forts, das Gefängnis und die ehemalige Besserungsanstalt besichtigt werden.

Kombinieren lässt sich eine solche Tour mit dem Besuch des Titanic Experience, eines kleinen, praktischerweise ebenfalls an der Mole von Cobh gelegenen, interaktiven Museums, das laut eigener Definition, „ein authentisches Gefühl“ für den Untergang der Titanic vermitteln will. Neben der aufwendigen kinematografischen Inszenierung der Kollision mit dem Eisberg können unter anderem auch einige nachgebildete Passagierklassen der Titanic besichtigt werden. Hintergrund der Inszenierung: Cobh (damals noch Queenstown genannt), der Passagierhafen von Cork, war die letzte Anlegestelle vor dem Untergang, an der Passagiere noch an Bord der Titanic gehen konnten. Insgesamt 123 Passagiere nutzten am 11. April1912 diese letzte Gelegenheit und steuerten damit direkt ins Verderben. Um den Nervenkitzel der Besucher zu erhöhen, haben die Macher der Ausstellung ihre Namen auf die Eintrittskarten gedruckt, die den Tickets der White Star Line, der Betreibergesellschaft der Titanic, nachgebildet sind. Am Ausgang kann dann jeder Besucher an einem Monitor anhand des jeweiligen Namens überprüfen, ob er zu den Überlebenden gehört hätte oder nicht.

Die Garteninsel des John Annan Bryce

Doch wenden wir uns etwas Erfreulicherem zu. Mit einer Fläche von 7500 Quadratkilometern und 416.000 Einwohnern ist Cork die größte Grafschaft Irlands. Seine 640 Kilometer lange Küstenlinie ist zwar von steilen, felsigen Klippen geprägt, da diese aber von zahlreichen Meeresbuchten und Halbinseln durchbrochen wird, hat sie sich schon früh zu einem magischen Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt entwickelt. Dies ist nicht zuletzt auch dem Einfluss des Golfstroms geschuldet, der im Südwesten der Grafschaft besonders stark zum Ausdruck kommt und eine geradezu mediterrane Vegetation mit Palmen, Fuchsienhecken und anderen nicht winterharten Pflanzen begünstigt. Das kommt nirgendwo besser zum Ausdruck als in der rund 90 Kilometer südwestlich von Cork gelegenen Glengarriff Bantry Bay, einer malerischen Bucht, in die sich die Garteninsel Garinish Island, auch bekannt unter dem Namen Illnacullin, schmiegt.

Man erreicht sie mit einer kleinen privaten Fähre vom South End Pier in Glengarriff; sportlichere Charaktere können sich aber auch ein Kajak mieten und die Bucht auf eigene Faust nach weiteren versteckten Plätzchen erkunden. Die Überfahrt führt an einer kleinen Robbenkolonie vorbei, die sich träge auf den vorgelagerten Felsen sonnt und von den aufgeregten, an ihren Kameras herumfummelnden Touristen nicht aus der Ruhe bringen lässt. Garinish Island war ursprünglich nichts weiter als ein 15 Hektar großer, karger Felsen, der von Stechginster und Heidekraut bewachsen war. Das sollte sich erst ändern, als sich der wohlhabende John Annan Bryce in den Kopf setzte, ausgerechnet hier sein privates Arkadien zu errichten. Der aus Belfast stammende Geschäftsmann und Parlamentsabgeordnete kaufte die Insel, heuerte 100 irische Arbeiter mit dem Auftrag an, tonnenweise fruchtbare Erde auf den Felsen zu schaffen und beauftragte gleichzeitig den renommierten Architekten Harold Peto mit der Planung eines herrschaftlichen Hauses und dem Anlegen eines exotischen Pflanzengartens.

Zwar wurde das Anwesen in seiner ursprünglich geplanten Form nie realisiert, da Bryce das Geld ausging, dafür entstand aber innerhalb weniger Jahre ein subtropisches Gartenparadies mit vielen exotischen und seltenen Pflanzen und Bäumen, das in seinen Parkanlagen unterschiedlichste Bauformen aus dem antiken Griechenland, Italien und Japan zitiert. So finden sich in der Anlage unter anderem eine Casita für Teegesellschaften, ein Seerosenteich mit Merkur-Statue, ein Medici-Haus sowie ein kleiner griechischer Rundtempel. Besichtigt werden kann auch das Cottage, das Bryce mit seiner Frau, Violet, auf der Insel bewohnt hat. Es wurde vom Office of Public Works (OPW) aufwendig restauriert und mit der Originaleinrichtung versehen, nachdem die Bryce-Nachkommen die Insel samt Inventar 1953 dem irischen Staat überlassen hatten.

Im Haus des Earl of Bantry

Fast in Sichtweite, in Richtung Süden an der gegenüberliegenden Küste, liegt ein weiteres Juwel, das Liebhaber irisch-britischer Gartenkunst nicht missen sollten. Es handelt sich um ein Anwesen im georgianischen Baustil, das der Earl of Bantry um 1720 erbauen ließ und noch heute von seinen Nachkommen bewohnt wird. Ein Teil des Herrenhauses wurde von diesen zur Besichtigung freigegeben; dazu gehören etwa der prunkvolle Rosa Salon und das Speisezimmer, die mit zahlreichen Kunstschätzen drapiert sind, die der umtriebige zweite Earl of Bantry auf seinen zahlreichen Reisen zusammengetragen hat. Umgeben ist das Anwesen von einem terrassierten Garten, der als einer der schönsten Irlands gilt. Das wird spätestens dann klar, wenn man die von Azaleen und Rhododendren flankierte Steintreppe direkt hinter dem Anwesen hinaufsteigt, an deren oberem Ende sich ein faszinierender Blick auf die ganze Anlage, die Bantry Bay und Whiddy Island bietet. Bantry House und Garden erreicht man über einen waldgesäumten Zufahrtsweg zu Fuß direkt vom Hafen der kleinen Ortschaft Bantry aus.

IRLANDS SÜDWESTEN

Übernachten

Isaacs: schönes Hotel in einem alten Backsteingebäude im Zentrum von Cork mit idyllischem Gastgarten und originellen Cocktails. www.hotelisaacscork.com

Eccles: leicht angestaubtes Hotel in viktorianischem Stil mit ausgezeichnetem Essen und wunderschönem Blick auf die Bucht von Glengarriff. www.eccleshotel.com

Essen

Pilgrim's Rest: kreative Küche, die auf raffinierte Weise die unterschiedlichsten kulturellen Einflüsse kombiniert. www.pilgrims.ie

Reisen durch Irland: u. a. mit Prima Reisen. www.primareisen.com

Infos: Tourism Irland. www.entdeckeirland.at

Compliance-Hinweis: Die Reise wurde von Tourism Irland und Prima Reisen unterstützt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2019)

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