Laut ist die Band Bilderbuch nur auf der Bühne, auf Instagram sind sie glatt, aber bisweilen gönnerhaft. Gerade verschenken sie „Freedom“ an ihre Fans.
Ihr Name könnte auch als naive Umschreibung des sozialen Netzwerks durchgehen, um das sich diese wöchentliche Kolumne hauptsächlich dreht. Immerhin war Instagram lange (bis zur Einführung der Story-Funktion) nichts anderes als ein digitales „Bilderbuch“. Die so lautende Band gibt es freilich schon viel länger (2005) als das Netzwerk. Längst sind sie so erfolgreich und über Österreichs Grenzen bekannt, dass bei ihrer Nennung nur mehr selten jemand die dümmliche Frage stellt: „Bilderbuch? Welches denn?“
Auf dem Instagram-Account der Wiener Hipsterband, die mit ihren avantgardistischen Mainstreamliedern „Maschin“, „Plansch“ und „Bungalow“ groß wurde, sieht man, wie Erfolg Bands verändert: Ihr Profil ist ein über weite Strecken glatter Marketingkanal. Scrollt man zu den ersten Posts der Band im Jahr 2013, sieht man noch deutlich mehr Spaßfotos, Hinter-den-Kulissen-Schnappschüsse und Backstage-Eindrücke. Heute sieht das anders aus. Auf diesem Account wird nicht experimentiert, werden keine wirren Videoschnipsel geteilt, die das Leben der Band auf und hinter der Bühne dokumentieren, und gibt es keine Selbstdarstellungsexzesse. Das alles findet man bei einem wie Cloudrapper Yung Hurn.
Bilderbuch-Pass-Flut im Netz
Diese Band ist nur auf der Bühne laut, auf Instagram bleibt sie professionell, diskret und freundlich. Da werden Bandporträts im Schnee oder Sand geteilt,
Tourdaten veröffentlicht,
hie und da noch Einzelporträts, zum Beispiel von Sänger Maurice Ernst
und vor allem neue Alben beworben. Derer gibt es derzeit gleich zwei. Im Dezember erschien „Mea Culpa“, am vergangenen Freitag mit „Vernissage My Heart“ schon das nächste. Und das kam gleich mit einer wohlüberlegten Social-Media-Aktion inklusive politischer Botschaft.
Passend zu ihrem europafreundlichen Song „Europa 22“, den sie zeitlich gut geplant zehn Wochen vor den EU-Wahlen im Mai veröffentlichten, starteten sie eine kleine Social-Media-Aktion, die ihrer Botschaft „Leben ohne Grenzen“ und „Freedom zu verschenken“ aus dem Lied „Europa 22“ folgen sollte: Auf der Webseite bilderbucheuropa.love kann man sich mit wenigen Klicks und einem hochgeladenen Foto einen europäischen Pass ausstellen lassen. Die vier Bandmitglieder Maurice Ernst, Michael Krammer, Peter Horazdovsky und Philipp Scheibl machten es auf Instagram natürlich vor – und wer bisher noch nicht genau wusste, weiß zumindest jetzt, wie alt die vier sind (Jahrgang 1988 bis 1992). Viele ihrer (gar nicht so überragend vielen) 72.000 Fans im Netzwerk taten es ihnen gleich und in Windeseile wurde das Netz mit den Bilderbuch-Pässen geflutet. Auch Prominente wie Jan Böhmermann, die Rapper Dendemann und Mavi Phoenix und die deutsche Justizministerin Katarina Barley (SPD) teilten ihren EU-Pass. Marketingaktion gelungen, kann man da nur sagen.
Natürlich nutzen Bilderbuch ihre Social-Media-Kanäle vor allem für Werbung, kaum für irgendwelche Botschaften abseits ihrer Lieder. Dass Gitarrist Michael Krammer vor zwei Wochen beim Wien-Konzert von Jan Böhmermann ein Gitarrensolo hinlegte, erfuhr man in den Storys (Collage von Videos und Fotos, die nur 24 Stunden sichtbar bleiben, Anm.) von Bilderbuch schon. Dass sich aber die gesamte Band bei dem Auftritt im Gasometer im Publikum befand und beinah unerkannt dem Böhmermann-Schnurren lauschte, erfuhr man dort nicht. Bilderbuch sind keine Angeber und Poser, sie schätzen nur ihre Privatsphäre.
WER SIND DIE?
Nächste Woche im Mediagram: Thomas BrezinaDie Band Bilderbuch wurde 2005 im oberösterreichischen Kremsmünster gegründet. Der Durchbruch gelang erst 2013 nach der Änderung ihres Musikstils mit den zwei Singles „Plansch“ und „Maschin“, die auch das deutsche Feuilleton auf sie aufmerksam machte. Die Band besteht aus Maurice Ernst (Gesang, Gitarre), Michael Krammer (Gitarre), Peter Horazdovsky (Bass) und Philipp Scheibl (Schlagzeug). Soeben erschien das Album „Vernissage My Heart“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2019)