Militär als Polizei: Schwere Bedenken gegen mehr Befugnisse

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Die Nachrichtendienste des Bundesheeres sollen mehr Befugnisse erhalten, zudem sollen Militärpolizisten künftig Privatpersonen kontrollieren dürfen. Gegen die sehr allgemein formulierten Bestimmungen gibt es Bedenken, unter anderem vom Justizministerium.

Wien. Es ist ein recht umfangreiches Paket, das das Verteidigungsministerium vor einigen Wochen in Begutachtung geschickt hat. Zehn verschiedene Gesetze werden damit geändert, vom Wehrgesetz 2001 bis zum Verwundetenmedaillengesetz. Dazwischen sind auch 21 Änderungen, die das Militärbefugnisgesetz betreffen und die dem Bundesheer mehr Rechte geben, auch im Einsatz gegen Demonstranten. Und diese geplanten Neuerungen sorgten im Begutachtungsverfahren, das heute, Dienstag, endet, für die größten Bedenken.

Vor allem ein Punkt wird von verschiedenen Stellen kritisiert, nämlich die Möglichkeit, dass „militärische Organe“ Personen kontrollieren dürfen, die „einer öffentlichen Beleidigung des Bundesheeres“ verdächtig sind. Das Militär würde damit also Rechte erhalten, die bisher nur die Polizei hat.

In den Erläuterungen erklären die Heeresjuristen die gewünschte Neuerung so: Es komme bei öffentlichen Veranstaltungen immer wieder vor, dass „das Bundesheer von Demonstranten durch Zurufe, Sprechchöre oder den Text auf mitgeführten Transparenten beleidigt wird“. Neben der Störung der Veranstaltung erfülle dies auch den Straftatbestand der Beleidigung. Weil „oftmals keine Exekutivorgane“ vor Ort seien, könne „das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Bundesheer nachhaltigen Schaden nehmen“, wenn es „nicht einmal selbst in der Lage ist, die Identität von Personen festzustellen, die es in strafrechtlich relevanter Weise beleidigen“.

„Eingriff in Grundrechte“

Der österreichische Rechtsanwaltskammertag meint in seiner Stellungnahme, in solchen Fälle könne der Täter angezeigt und sogar angehalten werden. Es bestehe daher „kein Anlass, dem Bundesheer diesbezügliche Kontrollkompetenzen“ einzuräumen. Auch würde dies „eine Überschneidung der Aufgaben des Bundesheeres und der Sicherheitsexekutive“ darstellen.

Die Rechtsabteilung der Stadt Wien befindet, dass „die Notwendigkeit der Übernahme von Polizeiaufgaben durch das Bundesheer nicht nachvollziehbar“ sei. Man beurteile die geplante Änderung daher „kritisch“. Der Datenschutzrat spricht von einem „Eingriff in Grundrechte“, die Regelung müsse „stärker eingegrenzt“ werden. Auch das Justizministerium äußert Bedenken: Die Befugnis solle nur dann gelten, wenn keine Polizei vor Ort ist, und sie soll „in engem zeitlichen Zusammenhang“ mit der mutmaßlichen Beleidigung stehen. Die Experten des Justizressorts wollen so offenbar sicherstellen, dass „militärische Organe“ nicht nach Belieben Personenkontrollen durchführen können.

Auch andere Änderungen sorgen im Begutachtungsverfahren für Bedenken. Etwa die „Adaptierungen“ wegen neuer technischer Möglichkeiten. So sollen die Nachrichtendienste des Bundesheeres (Nachrichtenamt, Abwehramt) „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ umfassende Auskunft von Telekomanbietern verlangen können. Neben Name, Anschrift und Telefonnummer auch die IP-Adresse eines Nutzers und die Uhrzeit, zu der Nachrichten gesendet wurden. Während eines Einsatzes oder sehr generell „im Interesse der nationalen Sicherheit“ sind solche Auskünfte zusätzlich zu Verkehrs-, Zugangs- und Standortdaten „unverzüglich“ zu erteilen. Zudem werden die Bestimmungen gelockert, unter denen das Heer Informationen an die Polizei, die Staatsanwaltschaft oder auch die Finanzbehörden weitergeben darf.

„Bedeutsames Missbrauchsrisiko“

Bei diesen Änderungen fordert das Justizministerium konkrete und genau abgegrenzte Definitionen, die Erfordernis „Erfüllung ihrer Aufgaben“ sei zu allgemein. Auch die Datenschutzbehörde vermisst eine klar determinierte Norm und die „erforderliche Klarheit“. Die zu allgemeinen Formulierungen bemängelt auch der Datenschutzrat.

Der Rechtsanwaltskammertag meint überhaupt, es werde nicht klar, warum diese Befugniserweiterung überhaupt notwendig sei. Es fehle für die Änderung somit die „notwendige Sachlichkeit“. Mit den allgemein gehaltenen Formulierungen werde außerdem den Heeresdiensten ein „grenzenloser Auskunftsanspruch“ eingeräumt. Es gebe ein „bedeutsames Missbrauchsrisiko“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2019)

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