Früherer Papst-Vertrauter verurteilt

Wegen einer Knieoperation gegen Kaution frei: Der frühere Erzbischof George Pell auf dem Weg in den Gerichtssaal.
Wegen einer Knieoperation gegen Kaution frei: Der frühere Erzbischof George Pell auf dem Weg in den Gerichtssaal.REUTERS
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Der einst mächtige Kardinal George Pell wurde wegen Kindesmissbrauchs schuldig gesprochen. Der Vatikan enthob den 77-Jährigen seines Amtes und verbot ihm Kontakt zu Kindern.

Sydney. Er galt als drittmächtigster Mann im Vatikan: Kurienkardinal George Pell. Jetzt fiel der Geistliche so tief wie noch keiner vor ihm. Ein Gericht in Melbourne hat den bisherigen Finanzchef des Vatikans, der zeitweise als Papst-Anwärter galt, wegen Kindesmissbrauchs in fünf Anklagepunkten schuldig gesprochen. Das Geschworenengericht befand den Australier schuldig, zwei 13-jährige Chorknaben zwischen Dezember 1996 und Anfang 1997 in der St. Patrick's Cathedral in Melbourne sexuell missbraucht zu haben.

Das Urteil fiel bereits am 11. Dezember, doch das Gericht hatte eine Nachrichtensperre verhängt, um ein weiteres Verfahren nicht zu beeinflussen. Dieses soll nun jedoch nicht weiterverfolgt werden, weshalb die Sperre am Dienstag aufgehoben wurde. Ein Strafmaß wird in den kommenden Wochen verkündet. Pell, der momentan noch wegen einer Knieoperation auf Kaution frei ist, könnten bis zu 50 Jahre Haft drohen. Die Maximalstrafe für jeden Anklagepunkt beträgt zehn Jahre. In diesem Fall würde der 77-Jährige im Gefängnis sterben. Sein Anwalt hat jedoch bereits angekündigt, Berufung einlegen zu wollen. Der Kardinal selbst hatte stets seine Unschuld beteuert. In einer Polizeibefragung hatte er die Vorwürfe einst als „schändlichen Müll“ bezeichnet. Pell zeigte laut Medienberichten wenig Emotionen während der Urteilsverkündung. Er soll ins Leere gestarrt haben, ohne eine Reaktion zu zeigen.

Das Urteil beruht auf der Aussage eines der Opfer; das zweite Opfer starb 2014 an einer Überdosis Heroin. Zum Zeitpunkt des Verbrechens vertrauten sich die Buben niemandem an, da sie fürchteten, ein Stipendium für ihre Schule zu verlieren. Dieses beinhaltete, dass man im Chor der Schule singen musste. Pell soll die Buben nach der sonntäglichen Messe in der Sakristei beim Weinstehlen erwischt und missbraucht haben. Einen der Buben soll er ein weiteres Mal belästigt haben. In dem zweiten Verfahren, das jetzt fallen gelassen wurde, wäre es um den angeblichen Missbrauch von Buben in Pells Heimatstadt Ballarat in den 1970er-Jahren gegangen. Doch die Beweislage reichte nicht für ein Verfahren aus. Letzteres Verfahren war jedoch der Grund für die über zwei Monate andauernde Nachrichtensperre, an die sich zwar die australische Presse weitgehend hielt, nicht jedoch alle internationalen. Einigen australischen Journalisten, die den „Maulkorb“ thematisierten, drohen nun Geld- oder Gefängnisstrafen.

„Schmerzhafte Nachricht“

Nur wenige Tage nach dem großen Gipfel zum Thema Missbrauch im Vatikan ist der Schuldspruch Pells ein schwerer Schlag für die katholische Kirche. Der Vatikan sprach von einer „schmerzhaften Nachricht“, Australiens Bischöfe gaben sich „schockiert“. Der Vatikan bekräftigte die bereits im Sommer 2017 verhängten Maßnahmen gegen Pell. Damals wurden Vorwürfe erstmals laut, seither darf Pell weder sein Priesteramt ausüben noch Kontakt zu Kindern haben. Auf weitere Konsequenzen werde vorläufig verzichtet. Man werde auf das Urteil im Berufungsverfahren warten, so der Vatikan-Sprecher.

1996 war Pell noch das erste führende Mitglied der Kirche gewesen, das Vorwürfe von Kindesmissbrauch gegen katholische Priester untersuchte. Als Erzbischof von Melbourne installierte er die sogenannte „Melbourne Response“.

2014 sagte er selbst vor einer von der australischen Regierung eingesetzten Kommission aus und entschuldigte sich öffentlich bei einem früheren Ministranten, der in den 1970er-Jahren von einem Priester missbraucht worden war. Seine fünfjährige Amtszeit als Finanzchef ist seit diesem Sonntag übrigens regulär vorbei.

ZUR PERSON

Mehr zum Thema: Seite 9George Pell wurde 1941 im einstigen Goldgräberort Ballarat in Australien geboren. Er gab die Chance, Profisportler im Australian Football zu werden, zugunsten des Priesterberufs auf und studierte in Melbourne, Rom und Oxford. Er war Erzbischof von Melbourne und später von Sydney, bevor er nach Rom berufen wurde, wo er für die Finanzen des Vatikans zuständig war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2019)

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