Viele Polen sind nicht damit einverstanden, dass der verunglückte Präsident auf dem Krakauer Wawel bestattet werden soll.
Allzu lange hat die Zeit der würdevollen Trauer, des Verzichts auf kleinliches politisches Gezänk angesichts des Todes von Dutzenden großen Persönlichkeiten in Polen nicht gedauert. Inzwischen ist ein bizarrer Streit darüber im Gange, ob der verunglückte Präsident Lech Kaczyński und seine Frau Maria Kaczyńska am Sonntag tatsächlich auf dem Krakauer Wawel, der letzten Ruhestätte polnischer Monarchen und Nationalhelden, beigesetzt werden sollen.
Das ist ein Streit, der wirklich nur die Polen etwas angeht. Aber wundern darf man sich schon, dass sich der Krakauer Kardinal Stanislaw Dziwisz da offenbar nur mit der Familie der Verunglückten abgesprochen hat und dann vorgeprescht ist. So tragisch das Geschehen ist, so groß die Sympathie und das Mitgefühl: Weiß der Kardinal nicht, dass Lech Kaczyński zu Lebzeiten ein ziemlich umstrittener Politiker war, der kurz vor seinem Tod Sympathiewerte von gerade noch 20 Prozent erreichte? Hat er es wirklich verdient, neben Tadeusz Kościuszko, Wladislaw Sikorski, Adam Mickiewicz oder Józef Pilsudski bestattet zu werden?
Noch einmal: Das haben allein die Polen zu beantworten. Die nehmen es aber hoffentlich ernst, wenn eine im Gegensatz zu Lech Kaczyński höchst anerkannte moralische Autorität wie der oscarpreisgekrönte Filmregisseur Andrzej Wajda warnt: „Das Vorhaben von Kardinal Dziwisz droht Polen tiefer zu spalten als jeder andere Streit seit dem Ende des Kommunismus.“ (Bericht: Seite 5)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2010)