Einfacherer Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte soll kommen

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Durch die Reform der Zuzugsberechtigung werden die Gehaltsgrenzen für Schlüsselkräfte gesenkt. Auch der Unterkunftsnachweis soll entfallen. Anträge sollen auch digital gestellt werden können. Die Gewerkschaft Vida befürchtet Lohndumping.

Die Regierung hat am Mittwoch im Ministerrat die Reform der Rot-Weiß-Rot-Card angekündigt. Laut dem Ministerratvortrag soll der Zugang zu diesem Steuerungsinstrument für den Zuzug von Nicht-EU-Bürgern nach Österreich erleichtert werden. So werden etwa Gehaltsgrenzen gesenkt, auch muss man vor Antragstellung nicht wie bisher schon eine Unterkunft in Österreich nachweisen. Ein konkretes Gesetz soll demnächst folgen.

Die Rot-Weiß-Rot-Karte wurde ab Mitte 2011 als Steuerungsinstrument für den Zuzug von Nicht-EU-Bürgern nach Österreich etabliert. Ziel war es, mittels eines Punktesystems vor allem qualifizierte Beschäftigte für den Arbeitsmarkt zu finden. Ursprünglich war erwartet worden, dass etwa 8000 Personen jährlich eine Rot-Weiß-Rot-Karte erhalten. Dieser Wert wurde bisher klar verfehlt. Laut Wirtschaftsministerium wurden im Schnitt rund 2000 Rot-Weiß-Rot-Karten vergeben.

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Wegfallen soll laut dem Ministerratvortrag künftig die Vorgabe, dass bereits bei der Antragstellung einer Rot-Weiß-Rot-Karte eine Unterkunft nachgewiesen werden muss. Begründet wird dies seitens der Regierung damit, dass der Betroffene im Vorfeld ja nicht weiß, ob der Antrag positiv ausgeht und zu welchem Zeitpunkt man überhaupt eine Antwort auf die Antragstellung bekommt. In der Praxis hätten viele heimische Unternehmen für die Betroffenen selbst Unterkünfte im Inland organisiert oder "sonstige Konstrukte" gewählt.

Gesenkt werden sollen die bisherigen Gehaltsgrenzen bei den sogenannten "sonstigen Schlüsselkräften", die laut Angaben aus dem Wirtschaftsressort 60 Prozent der Rot-Weiß-Rot-Karten-Bezieher ausmachen. Die Praxis habe gezeigt, dass der derzeit verlangte Mindestlohn bei diesen zu hoch angesetzt war: Bisher galt für bis 30-Jährige in dieser Gruppe ein Brutto-Mindestverdienst von 50 Prozent der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage, das sind 2610 Euro brutto im Monat (2019). Künftig soll eine Grenze von 40 Prozent der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage gelten, das entspricht 2088 Euro brutto. Für Schlüsselkräfte ab 30 Jahre galt bisher eine Grenze von 60 Prozent der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage (3132 Euro brutto). Diese soll auf 50 Prozent der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage gesenkt werden (2610 Euro brutto).

Beantragung bisher via Post

Ein Entwurf soll demnächst in Begutachtung geschickt werden, das Paket noch vor dem Sommer im Parlament beschlossen werden. Sowohl der Wegfall des Unterkunft-Nachweises als auch die Gehaltsgrenzen-Senkung sollen gleich danach in Kraft treten, hieß es aus dem Wirtschaftsressort. Zu diesen beiden Punkte soll es "nach ein paar Jahren" eine Evaluierung geben.

Ziel der Reform ist es auch, den Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte zu entbürokratisieren und somit zu beschleunigen. So soll statt des bisherigen Weges über die Post die Karte künftig digital beantragt werden können. Bisher wurden Anträge von den Auslandsbehörden entweder an das Außenministerium oder das Kanzleramt oder an die Ämter der Landesregierung übermittelt. Die Ämter der Landesregierung gaben diese Anträge ebenfalls postalisch an die zuständigen Niederlassungsbehörden in den Ländern weiter. Das soll künftig entfallen. Damit wird ein Antrag, der beispielsweise bei einer österreichischen Botschaft eingebracht wird, "auf Knopfdruck" an die entsprechende Inlandsbehörde übermittelt werden können. Ein Probebetrieb ist noch für heuer geplant, die endgültige Inbetriebnahme soll Anfang 2020 starten.

Auch Änderungen für Menschen mit gültigem Aufenthaltstitel

Eine Änderung soll auch für Drittstaatsangehörige kommen, die bereits einen gültigen Aufenthaltstitel in Österreich haben: Diese werden zur Absolvierung einer Lehrausbildung künftig ebenfalls die Rot-Weiß-Rot-Karte beantragen können, was etwa Personen mit Schüler-Visum einen weiteren Aufenthalt in Österreich ermöglichen soll. Auch dieser Punkt soll noch heuer in Kraft treten.

Derzeit können sechs Gruppen über die Rot-Weiß-Rot-Karte einwandern: besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte in Mangelberufen, sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen einer österreichischen Hochschule, selbstständige Schlüsselkräfte und Start-up-Gründer. Schlüsselkräfte und Fachkräfte in Mangelberufen benötigen bestimmte Qualifikationen und eine fixe Jobzusage. Höchstqualifizierte, die entsprechend hohe Kenntnisse in ihrem Bereich vorweisen müssen, benötigen keine fixe Jobzusage. Sie erhalten sechs Monate Zeit, sich mit einem Visum um einen adäquaten Job in Österreich zu kümmern.

"Regierung rollt Lohndumping roten Teppich aus"

Für die Reform gab es am Mittwoch Kritik von der Gewerkschaft und Lob von der Wirtschaft. Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft Vida, ließ an den Plänen kein gutes Haar: "Mit der Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte und damit der weiteren Öffnung unseres Arbeitsmarktes für Menschen aus Drittstaaten rollt die Regierung Lohndumping den roten Teppich aus", hieß es in einer Aussendung. "Lohnerhöhungen werden so wirksam verhindert. Es geht nicht darum, Fachkräfte zu lukrieren; was gesucht wird, sind Lohndrücker", meinte er.

Betriebe, die kein Personal fänden, sollten sich zuerst einmal die Frage stellen, warum das so sei, meinte Hebenstreit. Betroffen davon seien gerade jene Branchen mit bereits prekären Verhältnissen, wie etwa Gastronomie und Tourismus. Der FPÖ warf der Vida-Vorsitzende einen "Verrat der arbeitenden Menschen in Österreich" vor: "Geht es um Aufenthalte von Drittstaatsangehörigen in Österreich, die menschenrechtlich begründet sind, dann handelt die schwarz-blaue Bundesregierung restriktiv. Bei der FPÖ fallen jedoch sämtliche Hemmungen, wenn es darum geht, Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer in Österreich mit Hilfe von Zuwanderung unter Druck zu setzen."

Freude bei der Wirtschaft

Gänzlich anders lautete das Urteil der WKÖ. "Der Fachkräftemangel ist bereits zu einem schwerwiegenden Problem für die österreichische Wirtschaft geworden. Da es ohne ausländische Fachkräfte nicht gehen wird, ist die Weiterentwicklung der Rot-Weiß-Rot-Karte ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung", sagte WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf.

Kopf forderte aber auch weitere Maßnahmen: So müssten etwa "Schritte beim Behördenvollzug" folgen. "Viele Mitgliedsbetriebe der Wirtschaftskammer-Organisation berichten von einem zunehmend restriktiven Vollzug der Rot-Weiß-Rot-Karte", sagte er. Dazu komme, dass die Verfahren derzeit "viel zu lang dauern".

IV-Generalsekretär Christoph Neumayer bezeichnete das Vorhaben ebenfalls als "richtigen Schritt". Der Entbürokratisierung des Verfahrens für qualifizierte Zuwanderer müsse nun "eine breitaufgestellte Fachkräfteoffensive" folgen. "Wir müssen gezielt in jenen Ländern werben, wo es Menschen mit den in Österreich benötigten Qualifikationen gibt", erklärte der IV-Generalsekretär.

(APA)

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