Rechnungshof: Sozialhilfe der Stadt verleitet zu Missbrauch

Sozialhilfe Stadt verleitet Missbrauch
Sozialhilfe Stadt verleitet Missbrauch(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bestimmungen gegen den Missbrauch der Wiener Sozialhilfe sind mangelhaft, die Gebühren der Stadt dafür viel zu hoch – kritisiert der Rechnungshof in einem neuen Bericht.

WIEN. Eine richtige Freundschaft wird das nicht mehr – die Beziehung zwischen den Prüfern des Rechnungshofes und der Wiener Stadtregierung. Nachdem der Rechnungshof am Mittwoch heftige Kritik am undurchsichtigen Budget der Stadt Wien artikulierte hatte (die Stadt hat – entgegen eigenen Aussagen – die Maastricht-Kriterien doch verfehlt), folgte am Donnerstag eine weitere, vernichtende Kritik.

In dem neuesten Prüfbericht, welcher der „Presse“ vorliegt, räumt der Rechnungshof mit der Gebarung der Stadt im Bereich der Sozialhilfe und mit den umstrittenen kommunalen Gebühren (Abwasser, Müll etc.) auf. Die Details:
Sozialhilfe anfällig für Missbrauch. Fünf Prozent der Wiener beziehen Sozialhilfe, von 2006 bis 2008 ist diese Zahl jährlich um fünf Prozent auf 93.550 gestiegen. Das macht dem Rechnungshof keine Sorgen – im Gegensatz zur Wiener Rechtslage, die ein Tor zum Missbrauch öffnet: „Im Unterschied zu anderen Landesgesetzen enthielt das Wiener Sozialhilfegesetz keine Klarstellung, dass auf die Form der Gewährung der Sozialhilfe kein Rechtsanspruch bestand. Damit fehlte die Möglichkeit, [...] einer zweckentfremdeten Verwendung der Sozialhilfeleistung vorzubeugen“, heißt es wörtlich. Die Forderung der Prüfer: „Es wäre auf eine Klarstellung im Wiener Sozialhilfegesetz hinzuwirken, dass auf die Form der Gewährung der Sozialhilfe kein Rechtsanspruch besteht.“
•Probleme bei Sozialausgaben. Erklärungsbedarf hat die Stadt auch im Bereich der Sozialausgaben, wo der Rechnungshof eine „deutliche Abweichung“ registriert: Beim Fonds Soziales Wien gab es im Jahr 2007 eine Differenz von 7,5 Prozent, bei der Allgemeinen Sozialhilfe eine Differenz von 11,9 Prozent zwischen Voranschlag und Rechnungsabschluss. „Das weist auf eine unzureichende Finanz- und Leistungsplanung sowie auf unzureichende Entscheidungsgrundlagen über budgetwirksame Entwicklungen hin“, heißt es in dem Bericht. In anderen Worten: Planlosigkeit im Sozialbereich.
Teure Gebühren. Der Rechnungshof räumt gleichzeitig mit einer Lieblingsgeschichte der Wiener Stadtregierung auf: Die kommunalen Gebühren (Wasser, Abwasser, Müll) sind nicht teuer; sie decken gerade die entstehenden Kosten. Hier hält der Rechnungshof trocken fest: „Die Stadt Wien führte die in den Jahren 2005 bis 2007 erzielten Überschüsse aus den Gebührenhaushalten Kanal, Wasser und Abfall in Höhe von rd. 390 Millionen Euro nicht zweckgebundenen Rücklagen für zukünftige Investitionen zu, sondern verwendete sie für den allgemeinen Haushalt.“ In anderen Worten: Die Wiener zahlten 390 Millionen Euro zu viel für die Müllentsorgung („Die Presse“ hatte bereits am 10.Dezember 2010 darüber berichtet).

Trotz der (zu hohen) Wiener Gebühren wurden für Investitionen in diesem Bereich Kredite aufgenommen – womit die Wiener doppelt zur Kasse gebeten werden, weil sie neben den teuren Gebühren auch noch die Kreditzinsen für Investitionen bezahlen müssen, die eigentlich durch die Gebühren gedeckt sein sollten. Der Rechnungshof im Wortlaut: „Trotz der Erzielung von Überschüssen wurde der Gebührenzahler mit zusätzlichen Fremdkapitalkosten belastet.“
•Gebührenerhöhungen aussetzen. Brisant: Der Rechnungshof fordert von der Stadtregierung die Aussetzung des Valorisierungsgesetzes, mit dem die städtischen Gebühren automatisch mit der Inflationsrate angehoben werden. Die trocken formulierte Begründung: „Für die festgelegten Abwasser-, Wasser- und Müllgebühren lagen keine schlüssigen Kostenkalkulationen vor.“ Anders formuliert: Solange die Stadt keine Ahnung hat, wie viel ihre Serviceleistungen überhaupt kosten, so lange sollten die Steuerzahlen die jährlichen Gebührenerhöhungen nicht zahlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2010)

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