Beide Protagonisten des Hanoi-Gipfels brauchen einen Erfolg - Donald Trump steht unter innenpolitischem Druck, Kim Jong-un steht ökonomisch mit dem Rücken zur Wand.
Tausende jubelnde Menschen am Straßenrad, Fähnchen schwenkend vor Begeisterung. Nordkoreas Führer ist diesen Anblick sicher gewohnt. Leider hatte er in seiner gepanzerten Mercedes-Stretch-Limousine auf dem Weg vom Hotel Melia nur einen knappen Kilometer Zeit, diese Huldigungen zu genießen. Wie immer flankiert von einem Dutzend joggender Leibwächter. Als er ankommt, ziehen Polizisten schnell einen schwarzen Vorhang zu, der das Aussteigen verbirgt.
Etwas anders US-Präsident Donald Trump, der mit seinem „Beast“ genannten anschlagsicheren SUV immerhin zwölf Kilometer vom Hotel JW Marriot zum Gipfelschauplatz zurücklegen musste. Für den Chef des Weißen Hauses, dem in Washington oft verbissene Ablehnung entgegenschlägt, muss diese Fahrt eine innere Wohltat gewesen sein. Wer in Hanoi jedoch an diesem Morgen von Berufs wegen unterwegs war, konnte sich nicht so begeistern. Der Verkehr war wegen der Sicherheitssperren nahezu blockiert. Viele kamen erst Stunden später zur Arbeit.
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"Als wenn sie einen Fantasy-Film gucken"
Trump (72) und Kim (35) starteten den zweiten Gipfeltag zunächst mit einem gemeinsamen Frühstück im Hotel Sofitel Legend Metropole. Der weiße Prachtbau aus der französischen Kolonialzeit war weiträumig und martialisch abgeriegelt wie nie zuvor. In der Umgebung postierte der vietnamesische Gastgeber sogar Panzerfahrzeuge und schwer bewaffnete Armee. Die Leibgarde von Kim zeigte demonstrativ offen ihre Waffen.
Auch im Inneren wird die Stimmung von Augenzeugen als frostig beschrieben. Eher lustlos schauten Trump und Kim beim Fototermin in die Kameras, ihre Mienen fast versteinert. Ganz anders als vor acht Monaten in Singapur demonstrierten beide Protagonisten weder Smalltalk noch freundliche Gesten. Etwa 45 Minuten dauerte die erste Runde bei Milchkaffee, grünem Tee und Croissants.
Anschließend schraubte Trump die Erwartungen an den Gipfel deutlich zurück. „Ich bin in keiner Eile. Geschwindigkeit ist nicht wichtig für mich, sondern dass wir das richtige Abkommen kriegen.“ Kim entgegnete: „Dass wir hier zusammensitzen, dürfte vielen vorkommen als wenn sie einen Fantasy-Film gucken.“
US-Verbindungsbüro in Nordkorea?
So phantastisch sah es allerdings nicht aus, als der Präsident und der Diktator kurz durch den inneren Hotelgarten spazierten. Was sie dabei besprochen haben, ist nicht bekannt. Zu hören gab es zunächst aber doch einiges: Auf eine Frage eines Journalisten sagte Kim: Er würde die Eröffnung eines US-Verbindungsbüros in Nordkorea begrüßen. Ein solches hätte zwar nicht den Rang einer Botschaft, würde aber einen Schritt hin zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Washington und Pjöngjang bedeuten.
Ungewohnt deutlich fiel eine weitere Antwort des Diktators aus: Ob er grundsätzlich zur atomaren Abrüstung bereit sei? „Wenn ich es nicht wäre, wäre ich nicht hier.“ Konkrete Schritte würden besprochen. Trump reagierte begeistert: „Das ist eine gute Antwort. Wow. Das muss die beste Antwort sein, die Sie je gehört haben.“