Sozialrechtler zu Karfreitag: "Wieder lernen, kleine Ungleichheiten auszuhalten"

Symbolbild: Karfreitag
Symbolbild: KarfreitagAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Sozialrechtler Mazal findet die Karfreitag-Regelung bedauerlich - glaubt aber, dass sie halten wird. Ein Anwalt kündigt indes an, sie vor dem VfGH bekämpfen zu wollen und appelliert an Evangelischgläubige, sich zu melden. Von "blankem Entsetzen" spricht der evangelische Synodenpräsident.

Äußerst umstritten ist der Gesetzestext von ÖVP und FPÖ über die Neuregelung des Karfreitags. Dass der Tag aus dem Feiertagskalender gestrichen wird, werde „zu Rechtsstreitigkeiten führen“, prophezeite der Arbeitsrechtler Franz Marhold von der Wiener Wirtschaftsuniversität erst am Mittwoch. Schon am Donnerstag sollten die rechtlichen Querelen erste Konturen annehmen: Der Kärntner Anwalt Michael Sommer kündigte an, die Regelung vor dem Verfassungsgerichtshof anfechten zu wollen. Mit "blankem Entsetzen" quittierte indes der evangelische Synodenpräsident die Aussage von Kanzler Sebastian Kurz, wonach sich "für 96 Prozent der Österreicher nichts" ändere.

„Ich habe vor, für evangelische Arbeitnehmer direkt an den Verfassungsgerichtshof heranzutreten“, sagte Sommer. Er bereite gerade den sogenannten Individualantrag vor und benötige nun noch Evangelischgläubige, die sich zur Verfügung stellen. „Ich glaube das wird schnell gehen. Bis zum Einbringen ist es eine Frage von Wochen“, gab sich der Klagenfurter optimistisch. „Sobald das Gesetz da ist, wird es bekämpft.“

Dieses Vorgehen biete den Vorteil, „dass der jeweilige Arbeitnehmer nicht gegen seinen Dienstgeber vorgehen muss“, meinte Sommer. Vielmehr werde „unmittelbar gegen den Gesetzgeber“ vorgegangen.

Mazal: "Trotz Unklarheiten" umsetzbar

Anders bewertete am Donnerstag der Sozialrechtler Wolfgang Mazal von der Universität Wien die Situation: Der Regierungsberater meinte im Ö1-„Morgenjournal“, dass sich der vorliegende Gesetzestext zum Karfreitag legistisch auf einem üblichen Niveau bewege. Ein Vollzug werde „trotz mancher Unklarheiten möglich sein“.

Angesprochen auf das neue Recht auf einen persönlichen Feiertag (dieser muss drei Monate im Vorfeld angekündigt werden, sollte an dem Tag doch gearbeitet werden, soll dieser als Feiertag bezahlt werden), meinte Mazal: „Ich gehe davon aus, dass es sich in der Praxis sehr rasch einspielen wird – und sei es nach ein oder zwei Gerichtsentscheidungen – wie intensiv dieses Ersuchen des Arbeitgebers formuliert sein muss, damit der zusätzliche Entgeltanspruch, den das Gesetz vorsieht, ausgelöst werden kann.“

Eine Klage der evangelischen Kirche, die von den Superintendenten in Wien und Kärnten angedacht wird, hält Mazal für wenig erfolgversprechend: „So bedauerlich es ist: Wenn man einer religiösen kleinen Minderheit eine Förderung nimmt und so verständlich es ist, dass sie versucht jetzt einen Ausgleich zu bekommen, hier sehe ich eigentlich keinen argumentativen Ansatz. Punkt.“

Ob der Eingriff der Regierung in den Generalkollektivvertrag (dort war der Karfreitag bisher durch ein Abkommen zwischen Arbeitgebern und –nehmern geregelt) gerechtfertigt sei? Es handele sich um einen so geringen Eingriff, meinte dazu Mazal im ORF-Radio, dass „es aus europarechtlicher und verfassungsrechtlicher Sicht klar vertretbar ist“. Immerhin werde nur der Spruch des Europäischen Gerichtshofs umgesetzt, der in der -, wie der Sozialrechtler betonte „von der Sozialpartnerschaft geschaffenen“ - Situation eine Diskriminierung geortet hatte. 

Gesellschaft sollte Minderheiten-Förderungen "aushalten"

Aus jetziger Sicht bestehen bleibt der jüdische Feiertag Jom Kippur (heuer der 9. Oktober). Ob sich daran etwas ändern könnte? Mazal dazu: Es spreche einiges dafür, „dass die Probleme um Jom Kippur genauso zu deuten sind wie die Karfreitagsproblematik“. Allerdings dürfte ein konkreter Unterschied nicht vergessen werden: „Jom Kippur ist tatsächlich nur im Kollektivvertrag geregelt. Hier hätten jetzt alle Sozialpartner die Möglichkeit, eine Regelung zu schaffen, die unangreifbar ist.“

Ob ein Festhalten an Jom Kippur nicht die nächste Ungleichbehandlung darstellen würde? „Ich halte es grundsätzlich für bedauerlich, dass man Regelungen, die als Förderung für kleine religiöse Minderheiten gedacht sind, heute als Diskriminierung der massiven Mehrheit sieht.“ Seiner Meinung nach sollte eine Gesellschaft imstande sein, solche Zugeständnisse an Minderheiten „aushalten und akzeptieren“ zu können. Er habe insofern keinen Anlass, an Jom Kippur zu rütteln. „Ich habe aber auch keinen Anlass gesehen am Karfreitag in der vorherigen Regelung zu rütteln.“  

Dass sei Ausdruck einer Entwicklung, die er für bedauerlich halte: „Wir müssen wieder lernen auch mit kleinen Ungleichheiten umzugehen und sie auszuhalten.“

"Blankes Entsetzen" wegen Aussage Kurz'

Die Aussage von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), wonach sich "für 96 Prozent der Österreicher nichts" ändere, hat beim evangelischen Synodenpräsident Peter Krömer "blankes Entsetzen" ausgelöst, erklärte er in einer Aussendung. Die Äußerungen von Kurz und Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) ließen nur den Rückschluss zu, "dass die Bundesregierung den seit den 1960er-Jahren in Österreich bestehenden Grundkonsens, die Evangelischen seien in Österreich eine unverzichtbare, wertvolle Minderheit", aufgekündigt habe, sagte Krömer. Er sprach von einem "harten Schlag" für die Evangelischen".

Die Neuregelung entspreche "nicht einer angemessenen Berücksichtigung der gemeinsamen, öffentlichen Religionsausübung religiöser Minderheiten im Sinne Verfassungs- und grundrechtlicher Bestimmungen", so Krömer. Mitglieder der Römisch-katholischen Kirche müssten zur Begehung religiöser Feiertage keinen Urlaubstag aufwenden, betonte er.

>>> Wolfgang Mazal im Ö1-„Morgenjournal“

(hell/APA)

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