Serie „Acht Tage“: Auf Sky kommt jetzt der Komet

Eine Mutter kämpft für ihre Kinder und verliert jede Selbstachtung: Christiane Paul (Mitte) mit Claude Heinrich (links) und Lena Klenke.
Eine Mutter kämpft für ihre Kinder und verliert jede Selbstachtung: Christiane Paul (Mitte) mit Claude Heinrich (links) und Lena Klenke. (c) Sky/Neuesuper
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In Stefan Ruzowitzkys Endzeitthriller-Serie „Acht Tage“ geht die Welt in plakativen Bildern unter: Die Todesangst bringt vor allem menschliche Abgründe zum Vorschein.

Ein Gekreuzigter. Eine Frau, die wie die Madonna mit Kind verklärt zum Himmel aufschaut. Konsumtempel, von denen nur ein Schlachtfeld aus Folder-Fetzen, Müll und aufgestapelten Einkaufswagen bleibt. Bei Stefan Ruzowitzky geht die Welt in plakativen Bildern unter. In seiner dystopischen Endzeitthriller-Serie „Acht Tage“ (ab 1. März auf Sky) zählt er die Tage herunter, bis ein riesiger Meteorit, der mit 30.000 km/h auf Mitteleuropa zurast, in Berlin einschlägt – und dekliniert dabei die Phasen der Todesangst durch: Nicht-wahrhaben-Wollen, Zorn und Neid auf mögliche Überlebende, Verhandlungen und Versprechen (Ansprechpartner ist meist Gott), Depression und Verzweiflung – und schließlich das Akzeptieren des Kommenden, in Ruhe und Gelassenheit. Während das Ding sich unaufhaltsam aus dem Weltall nähert, wird unten je nach Charakter negiert, gefeiert, kopuliert, gebetet, verdroschen, geliebt, bestochen oder gelyncht, als gäb's kein Morgen.

Stellt euch vor, ihr müsst fliehen . . .

Privilegien und Zufall teilen die Gesellschaft in Todgeweihte und jene, die hoffen dürfen, weil sie z. B. einen Platz im Regierungsbunker mit Schwimmbad, Krankenstation, Friseur und Reserven für zwei Jahre ergattern oder in einen der Flieger steigen dürfen, die Menschen in die USA schaffen. Wer nicht dabei ist, muss sich in sein Schicksal fügen – davonzulaufen ist lebensgefährlich. Auf den Straßen herrschen kriegsähnliche Zustände. Schlepper ermorden Flüchtlinge. Die Grenzen sind dicht. Ein grässliches Déjà-vu zu Szenen, die man aus den Nachrichten kannt. Nur mit umgekehrten Vorzeichen – eine kaum versteckte politische Botschaft: Stellt euch vor, ihr müsstet fliehen . . .

Das Perfide an der Situation: Jedes bisschen Hoffnung wirkt wie Säure, die noch vor dem großen Knall alles zersetzt – auch die Familie der Ärztin Susanne (intensiv gespielt von Christiane Paul), die bereit ist, für das Überleben ihrer Kinder alles zu opfern, und am Ende jede Selbstachtung verliert. Noch schlimmer ergeht es ihrem Bruder (Fabian Hinrichs als feiger Polit-Mitläufer): Er kann sich nicht entscheiden – soll er seiner hochschwangeren Frau (wunderbar abgehoben: Nora Waldstätten) beistehen oder wenigstens für sich selbst das erlösende Ticket ziehen? Dabei gibt es für einen wie ihn in dieser Situation nur eine mögliche Entscheidung: die falsche.

Selbstzerfleischung einer Gesellschaft

Der nahende Untergang wirkt hier als kollektive Gruppenselbsterfahrung. Die Todesangst bringt menschliche Abgründe zum Vorschein – und ganz wenige Qualitäten. Weil aber noch ein bisschen Zeit ist – acht, sieben, sechs . . . Tage zählt die Kugeluhr unerbittlich ab –, beginnt man sich zu organisieren. Verlassene Straßen, bewaffnete Banden, sich zusammenrottende Gottesfürchtige, das Zerbröseln jeglicher staatlicher Ordnungsstrukturen – das erinnert an die Zustände im Zombie-Serien-Hit „The Walking Dead“, nur dass dort der Sheriff zu Pferd durch die rauchenden Trümmer reitet, während sich der Berliner Polizist (Murathan Muslu) kurz vor dem Einschlag mit einer trotzig-verzweifelten Geste von dieser Welt verabschiedet: Er schreibt seinen letzten Strafzettel und schiebt ihn unter den Scheibenwischer eines achtlos abgestellten Fahrzeugs. Gefressen wird hier niemand. Es ist eher eine gut inszenierte Selbstzerfleischung mit katastrophalen Außenwirkungen auf das Zusammenleben. Da erscheint dann selbst die Kreuzigung stimmig.

Gemeinsam mit Ko-Regisseur Michael Krummenacher inszeniert Oscar-Preisträger Ruzowitzky eine Gesellschaft ohne Hoffnung. Manches zelebriert er wie ein Hochamt (verstärkt durch die Musik von David Reichelt), anderes wirkt ätherisch (Kamera: Benedict Neuenfels), aber Ruzowitzky lässt sein Publikum nicht eine Sekunde aus den Augen. Er hält die Spannung bis zum letzten, vorhersehbaren Augenblick, der schaurig und schön zugleich ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2019)

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