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Büro stagniert, Wohnen holt auf

„Das Ensemble“: Die Kölner Art-Invest sicherte sich fünf Bauteile an dem Projekt an der Erdberger Lände.
„Das Ensemble“: Die Kölner Art-Invest sicherte sich fünf Bauteile an dem Projekt an der Erdberger Lände. (c) Are Development
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Das österreichische Wohnsegment wird für internationale Investoren immer interessanter. Vor allem deutsche Fonds drängen auf den heimischen Markt.

Institutionelles Wohnen war in Österreich lange Zeit ein lokales Phänomen“, sagt Georg Fichtinger, Senior Director, Head of Investment Properties bei CBRE.Unter den Interessenten für Wohninvestments fanden sich vor allem österreichische Versicherungen und heimische Immobilienfonds. Seit etwa eineinhalb Jahren drängen nun aber auch internationale – vor allem deutsche – institutionelle Anleger auf diesen Markt.

Das mag dazu beigetragen haben, dass die Assetklasse Institutionelles Wohnen mit einem Transaktionsvolumen von 1,2 Milliarden Euro im Vorjahr erstmals genauso stark gefragt war wie der traditionelle Dauerbrenner, das Bürosegment. Bei CBRE jedenfalls ist man davon überzeugt, dass dieser Rekordwert nur durch die verstärkte Aktivität internationaler Investoren erreicht werden konnte. Vor allem der deutschen: Rund die Hälfte ihres in Österreich getätigten Transaktionsvolumens floss im Vorjahr erstmals in den Wohnbereich.

Boomender Wohnungsmarkt

Das gestiegene Interesse internationaler Anleger an dieser Assetklasse führt EHL-Investmentchef Franz Pöltl zum einen auf die Produktknappheit im gewerblichen Segment und die niedrigen Renditen in Deutschland zurück. Gleichzeitig verweist er aber auch auf die demografische Entwicklung in Wien, die mit einer zunehmenden Urbanisierung einhergeht. „Wohnen ist jene Assetklasse, bei der man die fundamentale Nachfrage am stärksten sieht“, bringt es der Experte auf den Punkt. Internationale Investoren gehen laut Pöltl heute auch anders als früher vor: Sie kaufen nunmehr – wie die lokalen Investoren – Produkte lang vor der Fertigstellung, und zwar nicht Portfolien im dreistelligen Millionenbereich, sondern einzelne Objekte in den auf dem Markt vorhandenen Losgrößen, mit denen sie sich neue Bestände aufbauen.

Das starke, nunmehr auch internationale Investoreninteresse hat eine wesentliche Folge: Die Preise im Wohnbereich sind merklich gestiegen. „Die Preisentwicklung wird aufgrund der sehr hohen Bau- und Grundstückskosten aber wohl früher oder später in einer Seitwärtsbewegung münden“, meint Pöltl. Insgesamt sieht er wenig Potenzial für große Preisanstiege und auch keine Rückgänge im Renditebereich. Mit den aktuellen Renditen im Wohnsegment, die um rund 50 Basispunkte über dem Niveau der fünf großen deutschen Städte Frankfurt, München, Düsseldorf, Berlin und Hamburg liegen, könnten Investoren aufgrund der anhaltend niedrigen Zinsen noch leben, meint er.

Gerangel um jedes Objekt

Von hohen Preisen und niedrigen Renditen können sicherlich heimische offene Immobilienfonds ein trauriges Lied singen: „Mittlerweile haben die Preise im Wohnbereich eine Größenordnung erreicht, die sich für institutionelle Investoren wie uns kalkulatorisch nicht mehr rentieren“, erklärt Alexander Budasch, Sprecher der Geschäftsführung der LLB Immo KAG, die für den LLB Semper Real Estate, der in österreichische und deutsche Immobilien investiert, verantwortlich zeichnet. Das heißt: Wohnimmobilien sind nicht mehr das favorisierte Investmentziel.

„Um jedes gute Projekt wird derzeit gekämpft“, berichtet Fichtinger. Gerade die jüngere Vergangenheit habe gezeigt, dass internationale Investoren – allen voran die deutschen – aggressiver auftreten. Nachdem in Wien im Vorjahr dank einer Reihe von Großprojekten rund 11.500 Wohneinheiten fertig gestellt worden sind, gehen Experten heuer von einer ähnlichen Zahl aus. Das aktuell starke Fertigstellungsvolumen – beziehungsweise die Neubautätigkeit – führt Pöltl darauf zurück, dass viele Entwickler seit Längerem von Gewerbe auf Wohnen umgeschichtet haben. „Die Novelle der Wiener Bauordnung führt aber zwangsläufig dazu, dass es weniger Widmungen für frei finanzierte Projekte geben wird“, meint er. Die Auswirkungen auf den Flächenbestand würden sich aber erst mittel- bis langfristig bemerkbar machen.

Ausweichstrategien

Nicht von der Hand zu weisen ist auch, dass die meisten Wohnprojekte, die derzeit fertig werden, schon verkauft wurden, und zwar meistens bereits nach der Erteilung der Baugenehmigung und mit dem Feststehen der gesicherten Baukosten. „Trotzdem ist die Pipeline aktuell noch sehr gut gefüllt – immer mehr Projekte kommen in die verkaufsreife Phase“, weiß Fichtinger. Er gibt sich überzeugt davon, dass trotz der Wiener Bauordnungsnovelle und der damit mittelfristig einhergehenden geringeren Bautätigkeit weiter gebaut werden muss. „Nach wie vor ist die Nachfrage da, und beim Angebot herrscht Aufholbedarf.“ Wien werde daher auch weiterhin im Fokus internationaler Investoren bleiben. Allerdings könnten viele auf Lagen im Wiener Speckgürtel ausweichen. Auch Graz könnte verstärkt in ihr Visier rücken: „Die Demografie ähnelt jener in Wien, und die Entwicklungstätigkeit im frei finanzierten Bereich ist dort zurzeit sehr stark“, so Fichtinger.

AUF EINEN BLICK

Internationale Investoren hatten 2018 einen Anteil von 44 Prozent am gesamten Investmentvolumen (3,95 Milliarden Euro) in Österreich, davon deutsche einen von 28 Prozent. Mehr als die Hälfte des deutschen Transaktionsvolumens entfiel auf den Wohnbereich. Für das größte ausländische Direktinvestment in ein heimisches Wohnprojekt zeichnete die Kölner Art-Invest mit dem Kauf von fünf Bauteilen von „Das Ensemble“ an der Erdberger Lände im April verantwortlich. Im zweiten Halbjahr 2018 hat sich die Aberdeen Standard Investments Deutschland AG mit dem Projekt „Franz Joseph“ einen Teil der Stadtentwicklung „Leben am Helmut Zilk Park“ im zehnten Wiener Bezirk gesichert.

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