Vergangenen August stürzte die Morandi-Brücke in Genua ein. Die Menschen, die ihre Häuser und Wohnungen verloren haben, hoffen auf einen Neuanfang. Ein Lokalaugenschein.
Das ist wie ein großes Legospiel“, sagt Anna Rita Certo. „Sie bauen die Brücke genauso wieder ab, wie sie sie damals vor 56 Jahren aufgebaut haben“, erzählt die 62-Jährige. Als Kind habe sie vom Balkon aus stundenlang zugeschaut, wie die Morandi-Brücke entstand. „Sie schaffen etwas Wunderbares“, habe das kleine Mädchen damals gestaunt. Ihre Freundin Giusy Moretti unterbricht die Erinnerungen mit einem einzigen Satz: „Ja, und dann hat sie uns betrogen, die Brücke.“
Rund ein halbes Jahr ist er her, dieser Betrug. Am 14. August vergangenen Jahres um 11.36 Uhr stürzte die Morandi-Brücke, die vierspurige Hauptverkehrsader der norditalienischen Hafenstadt Genua, bei starkem Regen plötzlich ein. Dutzende Fahrzeuge wurden in die Tiefe gerissen, 43 Menschen kamen bei diesem Unglück ums Leben. 619 mussten – wie auch Anna Rita Certo und Giusy Moretti – ihre Häuser für immer verlassen.
„Es ist das gelbe Haus, dort hinten“, sagt Anna Certo und zeigt durch die Absperrung auf ihre alte Heimat in der Via Enrico Porro, direkt unter der Fahrbahn, die seit sechs Monaten ins Nichts ragt. In der Wohnung ihrer Eltern hat sie zusammen mit ihrer älteren Schwester Mimma bis zum Einsturz gelebt. Mit dem Abriss der Restbrücke wird auch das Elternhaus der Schwestern Certo dem Boden gleichgemacht werden. Im April oder Mai soll es so weit sein. „Uns wurde versprochen, dass wir noch einmal in unsere Wohnungen dürfen, um uns zu verabschieden. Ob das wirklich klappt, steht aber noch nicht fest.“