Strahlende Sieger, traurige Verlierer und ein Plagegeist

Therese Johaug triumphiert mit der Fahne, Gegnerinnen liegen darnieder: Norwegen gewinnt so zum elften Mal in Folge die WM- Medaillenwertung.
Therese Johaug triumphiert mit der Fahne, Gegnerinnen liegen darnieder: Norwegen gewinnt so zum elften Mal in Folge die WM- Medaillenwertung.(c) APA/AFP/JOE KLAMAR (JOE KLAMAR)
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Die nordische WM in Seefeld schrieb viele Geschichten, sah Favoriten auftrumpfen oder ins Leere laufen. Ein Blutdopingskandal um zwei Österreicher trübte die Stimmung hinter den Kulissen – doch Fanscharen ließen sich nicht die Freude verderben.

Wenn die 52. nordische WM heute in Seefeld mit dem 50-Kilometer-Klassiker der Langläufer zu Ende geht, werden sich die Diskussionen und Erinnerungen nicht nur um Medaillen drehen, sondern um die Athleten, die sie gewonnen – oder verloren haben, weil sie Favoriten waren und bei ihrem Versuch gescheitert sind. Es sind aber auch die Geschichten, wie sie die Familie Stadlober vorlebt mit Luis, Teresa und Vater Alois. Sie geben der Hoffnung immer Schwung, dass es doch noch sauberen Sport gibt.

Das Event in Tirol hat gezeigt, wie gut Österreich als Veranstalter in Erscheinung treten kann. Mit tollem Stadion, makelloser Loipe – mit Emotion, die vor allem Norwegens Fans vorlebten. Ob aber der neuerliche Dopingfall im ÖSV-Langlauf darauf Einfluss hat? Schon am Tag nach der „Operation Aderlass“ nahm in den Loipen alles wieder seinen Lauf.

Wer sind also die großen Sieger dieser WM? Wer die Verlierer? Die Best-of-Wahl der „Presse am Sonntag“:

Franz-Josef Rehrl

Der Ramsauer, 25, lebte eindrucksvoll vor, wie viel Spaß die nordische Kombination machen kann. Er gewann in Seefeld drei Medaillen. Der Senkrechtstarter gilt als neuer Anführer in der Mannschaft von Trainer Christoph Eugen. Rehrl ist im Team überaus beliebt, allerdings hat sein Zimmerkollege keinen leichten Stand. „Ich mache immer sofort eine Unordnung. Im Zusammenräumen bin ich kein Weltmeister.“

Gewinner dieser WM ist Veteran Bernhard Gruber, 36. Der Weltmeister von 2015 lief zu Silber und Bronze – und war im Teambewerb die treibende Kraft für Bronze. Auch Mario Seidl, 26, und Lukas Klapfer, 33, halfen mit, dass die ÖSV-Kombinierer in jedem Seefeld-Bewerb auf dem Podest standen.

Teresa Stadlober

Ist sie in der Loipe, wird klar, warum Langlauf so populär und ein derart faszinierender Wintersport ist. Die 26-jährige Tochter von Alois und Roswitha Stadlober war allerdings vor WM-Start erkrankt. Eine hartnäckige Verkühlung verhinderte den Start in der Verfolgung, sie kostete mit Sicherheit auch viel Substanz. Platz 8 im 10-Kilometer-Rennen im klassischen Stil und Platz 8 im 30-Kilometer-Massenstart sind dennoch beachtliche Ergebnisse. Und, sie bleibt dank ihres Talents und der Akribie ihres Trainer-Vaters Österreichs größte Loipen-Hoffnung.

Österreichs Skisprung

Was noch im bisherigen Saisonverlauf für vollkommen denkunmöglich gehalten wurde, verwandelte sich auf dem Bergisel zu traumhafter Wirklichkeit: Stefan Kraft, Michael Hayböck, Daniel Huber und Philipp Aschenwald flogen im Team-Bewerb zu Silber. Sie bestätigten damit den Aufwärtstrend, den Cheftrainer Andreas Felder umsetzen musste. Zur Erinnerung: Bei Olympia 2018 gingen die ÖSV-Adler noch medaillenlos unter.

Titelverteidiger Kraft flatterte im Kleinschanzen-Einzel zu Bronze.

Erfrischend war auch der Auftritt des Damenteams. Die Freude, die etwa Eva Pinkelnig, 30, vorlebte und auch unentwegt hinaus schrie, sorgte für Begeisterung. Harald Rodlauer hat seinen Damen Auftrieb verliehen, Daniela Iraschko-Stolz, 34, Pinkelnig, Chiara Hölzl und Jacqueline Seifriedsberger flogen bei der WM-Premiere zu Silber. Und Iraschko-Stolz, stolz von ihren Kolleginnen „Schanzen-Oma“ genannt, errang Bronze im Einzel. Dass sie vor der WM wegen einer Lungenentzündung wochenlang ans Bett gefesselt war, verhinderte mehr.

Im Mixed flogen sie noch zu Silber - damit war aber auch klar, dass Österreich die Heim-WM ohne Gold beenden wird.

Markus Eisenbichler


Kein Weltcupsieg, aber Triple-Weltmeister: Markus Eisenbichler, 27 und Polizist aus Siegsdorf, sprang auf dem Bergisel in die Herzen seiner Landsleute. Gold im Einzel, Gold im Team und Gold im Mixed (das dreitte für den DSV in Serie seit 2015) – er veredelte Werner Schusters Abschied vom DSV.

Was der Kleinwalsertaler machen wird, ist unklar: von der Rückkehr nach Stams bis zu hoch bezahlten Projekten für den DSV ist alles möglich. Zum ÖSV wechselt er eher nicht.

Norwegen

Die Langläufer übertrafen fast alle Erwartungen, vor allem Therese Johaug, 30, zeigte vor, wie man nach einer 18-monatigen Dopingsperre Seriensiege feiert. Sie gewann dreimal Gold, einziger WM-Schönheitsfehler: mit der Staffel lief sie nur zu Silber.

Auch Johannes Høsflot Klæbo ließ seine Landsleute, die in Scharen in Seefeld zu Gast waren und für unglaubliche Stimmung sorgten, jubeln. Der 22-Jährige gewann drei Goldene. Sein größter Sieg: Als ihn der Russe Sergej Ustjugow im Ziel angriff, ließ er sich nicht provozieren. Norwegens Herren blieben in allen fünf Rennen unbesiegt.

Vergoldet hat sich auch der Kombinierer Jarl Magnus Riiber. Das ist insofern bemerkenswert, weil Norwegen seit 2001 kein WM-Gold mehr gewonnen hat. Gefeiert wurden alle Medaillen und ausnahmslos jeder Auftritt von weit über 10.000 Landsleuten. Sie verliehen dieser WM Glanz und Lautstärke, sie sorgten – sehr zur Freude der Barbesitzer – für Umsatz.

Eric Frenzel

Als Außenseiter gestartet, fuhr Eric Frenzel binnen dreier Tage zweimal WM-Gold ein. Der deutsche Kombinierer, 30, siegte im Einzel und im Teambewerb.

Österreichs Langlauf

Die Rückkehr des Blutdopinggespensts war der Skandal dieser WM. Zwei ÖSV-Langläufer wurden am vergangenen Mittwoch im Rahmen der Doping-Razzia „Operation Aderlass“ verhaftet. Ein Athlet wurde in flagranti erwischt – es handelt sich um die Polizeischüler Max Hauke und Dominik Baldauf. Sie wurden im Teamsprint Sechste.

Damit ist die Historie erschreckender Dopingvorfälle im ÖSV um ein Kapitel reicher, seit 2002 sorgen Österreicher entweder mit Blutbeuteln, Epo oder filmreifen Fluchtversuchen für Aufsehen. Dass auch bei der Heim-WM in Seefeld gedopt wurde – der Ort des Geschehens, die „Villa Edeltraud zum See“, ist nur eine Gehminute vom ÖSV-Hotel entfernt –, ist nicht nur dreist, sondern zeugt auch von fehlendem Teamgeist. Auch Prävention, Schulungen etc. halfen nichts. Keiner der Funktionäre oder Trainer wollte etwas davon gewusst haben, es sei einzig die Schuld „zweier Trottel“.

Hauke und Baldauf droht eine vierjährige Sperre. Ob auch eine Anklage wegen Sportbetrugs erfolgt, bleibt abzuwarten. Insgesamt gab es bei dieser Razzia neun Verhaftungen in Tirol und Erfurt, 16 Hausdurchsuchungen wurden durchgeführt und zig Materialien, Blutkonserven und Gerätschaften beim Thüringer Sportmediziner Mark S. sichergestellt.

ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel schloss in einer ersten Reaktion nicht aus, dass er mit Saisonende den Langläufern alle Mittel entzieht. Damit wäre das Weltcup-Aus besiegelt, ein Neustart in geregelten Bahnen jedoch gewährleistet. Der ÖSV trennt sich vom sportlichen Leiter Markus Gandler und Trainer Alexander Marent. Koordinator Trond Nystad tritt freiwillig ab.

In Seefeld gewann kein ÖSV-Läufer eine Medaille.

Finnland

Loipen-Legende Juha Mieto, 70, konnte nicht mehr hinschauen. Doch Finnlands Sport liegt nicht nur im nordischen Segment darnieder, es gibt auch keine guten Schwimmer oder Leichtathleten mehr. Der traurigste Verlierer im Sport – er unterlag Markus Wassberg bei Olympia 1980 in Lake Placid über 15 Kilometer mit 0,01 Sekunden – prangerte Computer, Internet, Ausbildung und fehlende Initiativen an. Auch in der Staffel gingen die Finnen leer aus.

Iivo Niskanen, 26 und aus Oulu, gewann allerdings Bronze über 15 Kilometer. Vielleicht schlägt der Finne auch heute zu. Er gilt als Olympiasieger über 50 Kilometer (13 Uhr) als Medaillentipp.

Ryōyū Kobayashi

Der Dominator dieser Skisprungsaison, der auch alle Springen der Vierschanzentournee gewann, flog bei der WM nur hinterher. Von der Großschanze wurde der 22-Jährige Vierter, auf dem kleinen Bakken stürzte der Halbzeitführende beim Wetterchaos noch auf Rang 14 ab. Im Team sicherte er Japan wenigstens Bronze. Und: er ergatterte den Schanzenrekord von Seefeld, mit sagenhaften 113 Metern im Mixed.

Gian Franco Kasper

Der FIS-Präsident, 75, verteidigte Pattaya als Austragungsort des Kongresses im Mai 2020. „Pattaya ist nicht nur die Sexindustrie. In dieser Stadt werden große Kongresse abgehalten. Sie hat auch den Luxus, den wir für unsere Delegierten brauchen. Müssten wir jede Stadt auf die Anzahl von Prostituierten prüfen, wäre es sehr hart. Für mich macht das alles keinen Unterschied, ich bleibe ohnehin nur im Hotel.“

Alexander Stöckl

Seit März 2011 ist der Tiroler Alexander Stöckl, 45, Cheftrainer der norwegischen Skispringer. Er führte Anders Bardal zum Weltcupsieg und zu WM-Gold, 2015 wurde Rune Velta Weltmeister, 2018 gewann das Team Olympiagold – in Seefeld gelang fast nichts. Bronze im Mixed ist nur ein sehr schwacher Trost für ihn.

SEEFELD-WM

60

Millionen Euro
betrugen die Investitionskosten. 27 Mio. Euro flossen in Sportinfrastruktur, 23 Mio. Euro kostete der neue Bahnhof.

700

Athleten
61 Nationen waren mit 700 Athleten dabei, 1200 Freiwillige halfen bei 22 Bewerben mit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2019)

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