Werner Schneyder traf mit seinem Zynismus immer ins Mark

Werner Schneyder, 2012
Werner Schneyder, 2012Imago
  • Drucken

Der österreichische Kabarettist ist im Alter von 82 Jahren unerwartet gestorben. Ein Nachruf.

Links? Linkslinks gar? Werner Schneyder war kein Konservativer – aber als Parteigänger einer politischen Couleur konnte man ihn nicht abstempeln. Dazu war er zu individualistisch. Ein Selbstdenker. Die sind nicht häufig – und ihr Zynismus trifft ins Mark. Dergleichen darf ein Kritiker schreiben, denn Schneyder hat die Kritikerzunft (wie manch andere Zünfte) nicht gemocht. Er hat es geschafft, eine Zeit lang in sein Kabarettprogramm eine Nummer zu integrieren, in der er einfach eine Konzertkritik vorgelesen hat. Das Publikum bog sich vor Lachen, egal, ob es regelmäßig in die Oper ging oder nie einen Konzertsaal von innen gesehen hatte. Dieser desavouierte Text stammte von einem der namhaftesten Kritiker Deutschlands. Das Schlimmste daran: Schneyder nahm einfach die jeweils aktuelle Zeitung und las die neueste Rezension vor. Es funktionierte immer.

Er kannte sein Publikum

Es kommt halt auch darauf an, wer etwas wie vorliest. Auch Goethe, der Lyriker, ließe sich auf diese Weise fertigmachen. Das wusste Schneyder natürlich. Er war dafür geboren, den wunden Punkt einer Sache zu erkennen, und – wenn er wollte – dann konnte er seine Opfer an diesem Punkt bis zur Weißglut reizen. Da er auch dafür geboren war, aufs Podium zu gehen und im umfassendsten Sinne des Wortes zu unterhalten, wusste er ebenso gut die wunden Punkte jenes für ihn gar nicht unberechenbaren Kollektivs namens Publikum zu erkennen. Also wusste er die Lacher auf seiner Seite – aber auch die Beklommenheit, wenn es sein musste. Es musste oft sein. An der Seite Dieter Hildebrandts hat der gebürtige Grazer, der sich schon als Kind schwer zwischen Stadttheaterzauber und Regionalligafußballplatz entscheiden konnte, weil er auf alle Facetten des menschlichen Lebens gleichermaßen neugierig war, die hohe Schule des deutschsprachigen Kabaretts studiert. Das schnoddrig-virtuose Geistesprestissimo des Kollegen spornte den Wortwitz Schneyders an, pushte seine Reaktionsgeschwindigkeit auf Rekordhöchstwerte.

Imago

So erschienen ihm dann bald auch im Alleingang alle Dinge des Lebens, nicht nur die allzu menschlichen, sondern vor allem die politisch aktuellen und die zeitgeschichtlich brisanten gleich scharf vor der Linse. Werner Schneyder war aber nicht nur ein Zoon politikon, sondern Homme de Lettres, beherrschte nicht nur die Phraseologie des Zeitgeists, sondern hatte auch die Werke von dessen Väter- und vor allem der Großvätergeneration gelesen. Und überdacht. Das war der Unterschied zwischen ihm und so manch anderem Kabarettisten. Für Letztere hatte er genauso viel Verachtung übrig wie für jegliche musik-, zeit- oder ideologiekritische Meterware. Oder etwa für Thomas Bernhard'sche Schimpfkanonaden.

Er roch, was billig eingekauft war. Und wenn er sang, „Schlafen Sie gut, Herr Tucholsky“, dann schwang seine Tucholsky-Lektüre mit, nicht nur in dem Satz „Ihr Werk hat zehn Bände, die les ich zu Ende“. Er hatte sie zu Ende gelesen. Und er konnte sich seinen Reim darauf machen.
Werner Schneyder hat sich selbst einmal als „Unversaldilettant“ bezeichnet. Er war, was das Theater im weitesten Sinn – das Kabarett inbegriffen – betrifft, ein Universalgenie, setzte Pointen punktgenau, konnte das als Regisseur willigen Kollegen auch vermitteln und verstand es als Texter, entsprechende sprachliche Grundlagen zu liefern.
Da konnte nichts schiefgehen – es sei denn, es hätte ein Rezitator einmal eine Phrase Schneyders so betont wie er eine aus besagter Musikkritik. Aber er – oder besser: sein Text hätte das ausgehalten. Ein Qualitätsprodukt kann man nicht so leicht kaputtmachen. Nicht einmal, indem man es als linkslinks zu desavouieren versucht. Werner Schneyder traf mit seiner Kunst immer ins Schwarze. Und das war oft blau und zuweilen sogar rot . . .

Werner Schneyder als Boxkommentator
Werner Schneyder als BoxkommentatorImago

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Werner Schneyder
Bühne

Politiker nehmen Abschied von Werner Schneyder

"Österreich verliert einen seiner vielfältigsten und beliebtesten Künstler" - Die Reaktionen auf den überraschenden Tod von Werner Schneyder.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.