Vier Silber- und fünf Bronzemedaillen wurden von ÖSV-Athleten gewonnen, Seefeld erlebte eine sehr emotionale WM mit grandiosem Sport vor 204.400 Zuschauern. Doch der Doping-Wirbel überschattet jede Euphorie.
Seefeld. Die 52. Nordische WM in Seefeld ist Geschichte, doch sie wird noch viele Geschichten schreiben. ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel wittert jedenfalls im Zusammenhang mit der Dopingrazzia während der WM in Seefeld eine mögliche Verschwörung. „Es kommt mir vor, es war eine getürkte Aktion, wie das inszeniert worden ist, gerade bei der WM“, sagte der Tiroler und verwies auf Vorkommnisse um die „Me Too“-Debatte ausgerechnet vor den Kitzbühel-Rennen und zu anderen besonders ungünstigen Zeitpunkten.
„Man muss nachdenken, ob es nicht eine Gruppe gibt, die uns schaden will“, sagte Schröcksnadel in einem ORF-Interview. Wen er damit meine, wollte er nicht sagen. Von der Existenz dieser vermeintlichen Feinde ist er allerdings überzeugt. „Natürlich gibt es eine Gruppe. Es gefällt vielen nicht, dass wir sehr erfolgreich sind“, sagte Schröcksnadel im Zusammenhang mit der für ihn besonders bemerkenswerten Wendung, dass Johannes Dürr nicht nur Zeuge, sondern auch Dopingvermittler gewesen sein soll. Er wisse aus gesicherter Quelle, dass Dürr das ÖSV-Duo Max Hauke und Dominik Baldauf zum deutschen Sportmediziner vermittelt habe.
Gandler wird Dürr klagen
Markus Gandler, der als ÖSV-Chef für Langlauf und Biathlon abdanken muss, bereitet indes eine Klage gegen den 2014 des Epo-Dopings überführten Johannes Dürr vor. Dies kündigte er in der Ö3-Sendung „Frühstück bei mir“ an. Dürr erklärte im Jänner in einer ARD-Dokumentation, dass er von ÖSV-Personal bei unerlaubten Praktiken unterstützt wurde.
Für den ÖSV hatte Wolfgang Schobersberger, der Anti-Dopingbeauftragte, die unterstellte Mitwisserschaft zurückgewiesen. Da Dürr bei seinen Aussagen blieb, verlange Gandler nun, dass er die Namen nenne. Er habe Kontakt mit einem Anwalt aufgenommen und könne sich vorstellen, dass sich andere Trainer dieser Klage anschließen werden.
Von den des Blutdopings überführten Max Hauke und Dominik Baldauf verlangt Gandler, dass diese sich zeitnah öffentlich für ihre Verfehlungen entschuldigen. „Sie sollen diesen Anstand zeigen, sich entschuldigen und sagen, wer beteiligt war“, sagte Gandler. Man brauche niemanden zu schützen.
Es gehe auch darum, seine bei der WM „12, 13 akkreditierten Betreuer freizusprechen“, die derzeit wie „geschlagene Hunde“ umhergehen. Hauke und Baldauf hätten sich gegenüber den BK-Ermittlern „sehr gesprächig“ gezeigt.
Hits vor 204.400 Zuschauer
Ungeachtet aller Vorfälle, Verschwörungstheorien und Anschuldigungen – diese WM lieferte vor atemberaubender Kulisse und 204.400 Zuschauern grandiosen Sport. Österreich hatte zwar keinen Weltmeister zu bejubeln, dafür stehen vier Silber- und fünf Bronzemedaillen zu Buche.
Fünf Medaillen im Skispringen und vier in der Kombination hätten die Wünsche des Sportlichen Leiters Mario Stecher weit übertroffen. „Es ist wunderschön, dass es besser gelaufen ist als erwartet“, freute sich der Steirer. „Das Wichtigste war die Mannschaftsmedaille auf dem Bergisel, da ist ein großer Druck weggefallen. Bei den Kombinierern kam die erste Medaille unerwartet, sie hat aber alles leichter gemacht“, so Stecher, 41.
Die 53. WM findet 2021 in Oberstdorf statt. Ob mit oder ohne ÖSV-Langläufern, ist offen. (fin)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2019)