Vom eigenen Spin ein wenig überdreht

Die Regierung schafft eine Islamismus-Dokumentationsstelle. Man sollte das seriös, ohne versteckte Absichten angehen. Nicht so wie nun die Vorstellung.

Die Genese der Geschichte gab Anlass zu Spekulationen und Interpretationen. Eine davon lautet: Die Regierung will wieder einmal ablenken, dieses Mal vom Karfreitagsfiasko. Möglicherweise überschätzt man hier auch die „Message Control“ ein wenig. Denn beim Karfreitag hätte die Regierung eigentlich nur auf einer Botschaft mit Nachdruck draufbleiben müssen: Ein Mann mit verdichtetem Rechtsbewusstsein habe den Protestanten ihren Feiertag geneidet, die Arbeiterkammer, die auf diesem Weg einen weiteren Feiertag für alle zu erstreiten hoffte, habe ihn dabei auch noch unterstützt und der EuGH dann ein schwer nachvollziehbares Urteil gefällt. Denn wieso sollten Katholiken und Atheisten Anspruch auf einen Feiertag haben, der der evangelischen Minderheit aus rein religiösen Gründen zugestanden wurde? So ein minimales Maß an Ungleichheit, so viel Rücksicht auf eine Minderheit werde eine pluralistische Gesellschaft ja wohl noch aushalten.

Die Regierung wechselte allerdings aufs nächste Feld, auf ihr vertrautes Terrain, zu anderen religiösen Minderheiten. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka veröffentlichte Details aus einer noch nicht präsentationsfertigen Studie, derzufolge es beim Antisemitismus in Österreich einen „Kernbodensatz“ von zehn Prozent gebe, dieser bei Arabisch- und Türkischsprachigen aber deutlich höher sei. Die Studie wird zwar erst am 15. März offiziell vorgestellt, Staatssekretärin (und EU-Kandidatin) Karoline Edtstadler präsentierte jedoch bereits tags darauf die Konsequenz daraus: die Schaffung einer Dokumentationsstelle für den politischen Islam nach dem Vorbild des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands (DÖW). Wobei das Vorbild DÖW mit seinem umfangreichen Archiv zur NS-Zeit und danach schon sehr hoch hängt.

Nun war das in seiner Durchsichtigkeit wahrlich nicht geschickt, aber man muss wahrscheinlich auch nicht das Gras wachsen hören. Über ein in Planung befindliches „Islamisten-DÖW“ berichtete das „Profil“ bereits Anfang Jänner. Und an den vorab lancierten Ergebnissen der Studie wird auch kein Zweifel bestehen. Schließlich haben sowohl der Nationalratspräsident, immerhin einmal DÖW-Mitarbeiter, als auch das beauftragte Meinungsforschungsinstitut, das SPÖ-nahe Ifes, einen Ruf zu verlieren. Und wirklich überraschen wird die Erkenntnis auch keinen, dass der Antisemitismus – nicht zuletzt wegen des Nahost-Konflikts – unter Muslimen höher ist.

Die Idee an sich, dass man islamistische Umtriebe in einer eigenen Stelle verfolgt, dokumentiert, archiviert und gegebenenfalls auch veröffentlicht, ist aber eine richtige. Wenn es seriös, ohne Eifer geschieht, ohne Hidden Agenda. Nicht so, wie es nun geschehen ist, da hat man die (versteckte) Absicht doch recht deutlich gemerkt. Das Thema ist zu ernst, als dass man es für politische Propaganda ge- oder missbrauchen sollte. Glaubwürdigkeit ist hier essenziell. Auch beim politischen Islam muss gelten: Was's wiegt, das hat's. Es wiegt ohnehin schon schwer. Man sollte sich hüten, noch etwas draufzulegen. Wird man dabei überführt, macht man es den Relativierern und Verharmlosern noch leichter.

Denn was islam(ist)ische Vereine so treiben, ist bisher vielfach – auch wegen mangelnder Sprachkenntnisse in diesem Bereich – verborgen geblieben. So könnte bei dieser Gelegenheit auch die Frage geklärt werden, ob Millî Görüş, jene vom türkischen Islamistenführer Necmettin Erbakan gegründete Vereinigung, der auch der derzeitige Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich entstammt, noch auf dem alten islamistischen (auch antisemitischen) Trip ist oder ob die jüngere Generation daran etwas geändert hat.

Besser wäre daher gewesen: mit der Studie zuzuwarten, bis sie zur Gänze fertig ist, sie dann zu präsentieren – die öffentliche Aufmerksamkeit wäre auch dann sicher gewesen – und danach als erste Maßnahme die Dokumentationsstelle vorzustellen. Am Problem an sich, Islamismus und Antisemitismus unter muslimischen Zuwanderern, besteht ja kein Zweifel. Die Frage ist: Wie groß ist er? Und ist er beherrschbar?

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2019)

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