Oxford-Politologe Jan Zielonka gehen die Reformvorschläge des französischen Präsidenten für die EU nicht weit genug. Er fordert eine Abkehr von bisherigen staatlichen Hierarchien und die Einbeziehung von Städten und Bürgern.
Die Presse: Macron hat in einem Gastbeitrag für „Die Presse“ die Neugründung der Europäischen Union gefordert. Und er ist überzeugt, dass nach einem Zugehen auf die unzufriedenen europäischen Bürger auch die Briten in der EU bleiben würden. Unterstützen Sie diesen Gedanken?
Jan Zielonka: Die meisten Europäer würden einen Neustart begrüßen, aber sie haben unterschiedliche Vorstellungen davon. Macrons Vision ist sehr französisch und traditionell hierarchisch – ungeachtet seiner liberalen Ambitionen. Er schlägt die Schaffung neuer politischer Plattformen vor, auf denen die Staats- und Regierungschefs alle wichtigen Entscheidungen treffen. Da fehlen jede Form der Dezentralisierung der Macht in der EU und die Suche nach Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung. Europas Bürger müssten in die Entscheidungsfindung besser einbezogen werden, aber Macron schlägt nur Konsultationen vor. Er hat die Auswirkungen des Brexit auf die Strategie der illiberalen Bewegung nicht verstanden. Deren Mitglieder wollen nicht mehr die EU verlassen, sie wollen sie übernehmen.