Drei Kulturarbeiterinnen für die Kunsthalle

Ivet Curlin, Sabina Sabolovic und Natasa Ilic übernehmen die Leitung der Kunsthalle
Ivet Curlin, Sabina Sabolovic und Natasa Ilic übernehmen die Leitung der Kunsthalle(c) APA (HANS KLAUS TECHT)
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Wiener Kulturpolitik. SP-Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler lässt das aus Zagreb stammende Kuratorinnen-Kollektiv „What, how and for whom“ die Kunsthalle Wien leiten. Ihre Vorgaben: das Publikum soll breiter und wieder größer werden.

Die Spannung war groß, kein Name, kein Verdacht war aus dem Büro der (noch) neuen SP-Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler an die Öffentlichkeit gedrungen – bis zur Pressekonferenz am Mittwoch in der Kunsthalle am Karlsplatz. Im Vergleich zu sonstigen österreichischen Bewerbungsprozessen wirkte das fast wie Nordkorea – ein Vergleich, über den Kaup-Hasler nur lachen konnte. Es sei einfach ein vorbildlicher Ausschreibungsprozess gewesen, erklärte sie, bevor sie einen Mitarbeiter bat, die neue Führung der Kunsthalle Wien in den Raum zu führen – und es erschienen, ganz à la „Zauberflöte“, die drei Damen.

Wie die Documenta in Kassel, wo gerade eine indonesische Kuratoren- und Sozialarbeitergruppe als Leitung bestellt wurde, hat jetzt also auch Wien ein Kuratoren-Kollektiv in Chefposition, genauer gesagt ein Kuratorinnen-Kollektiv in Chefinnenposition. „What, How & for Whom“ nennen sich die vier Frauen aus Zagreb seit 1999, ironisch die drei Grundfragen der Marktwirtschaft zitierend: Was, wie und für wen wird produziert? WHW werden sie in der Kunstszene kurz genannt, das ist eine Art Marke, denn Unbekannte sind sie keine: 2009 kuratierten sie die Istanbul Biennale. 2011 hat Kaup-Hasler, damals Intendantin des Steirischen Herbsts, sie schon eingeladen, die Hauptausstellung namens „Zweite Welt“ beizusteuern.

Ihr erstes Projekt überhaupt fand 2000 in Zagreb statt, der Name dieser Ausstellung zum 152. Geburtstags des Kommunistischen Manifests wurde damals zu dem des Kollektivs. Ein Jahr später war die Ausstellung auch in der Wiener Kunsthalle Exnergasse im WUK zu sehen. „Wien stand also am Beginn unserer Arbeit“, erwiesen WHW am Mittwoch dieser wichtigen Station ihrer frühen Karriere ihre Referenz.

Klar politisch agierendes Kollektiv

Jetzt wird Wien auch der bisherige Höhepunkt des WHW-Engagements, dessen politische Ausrichtung klar ist. WHW zählen international zu den politisch am eindeutigsten agierenden Kuratoren überhaupt (gemeint ist mit politisch in diesem Kunstkontext übrigens immer links). Seit 2009 führen Ivet Ćurlin, Nataša Ilić, Sabina Sabolović und Ana Dević auch die Nova Galerija in Zagreb, die in den 1970er-Jahren als Teil des Zentrums für kulturelle Aktivitäten der sozialistischen Jugend gegründet wurde.

Dević wird dieses städtische Kunstzentrum auch weiterhin im Namen von WHW leiten. Die anderen drei ziehen noch vor Vertragsbeginn – im Juni – nach Wien, erklärten sie. Dort werden sie Nicolaus Schafhausen ablösen, der bereits Ende März seine Position verlässt. Er hatte sich mit der Stadt auf eine vorzeitige Beendigung seines bis 2022 laufenden Vertrags geeinigt, was er als Protest gegen die „nationalistische Politik in Österreich“ inszenierte, die er dafür verantwortlich machte, dass die „Wirkungsmächtigkeit von Kunst stark eingeschränkt“ sei.

Eine Sicht, die WHW nicht zu teilen scheinen. Erstens sei es eine große Chance, in der „schönsten Stadt der Welt“ leben und arbeiten zu können, erklärten sie. Zweitens seien gerade in Zeiten sozialer Spannungen Orte der Kunst auch Orte des Dialog, wo andere Sichtweisen existieren könnten, so WHW. Vor allem aber würden sie sich auf die Arbeit mit den Künstlern freuen, denn – das sei auch ein Wunsch von Kaup-Hasler gewesen – die Kunsthalle solle auch wieder mehr Ort der Produktion sein, also Künstler sollen mit Werken extra beauftragt werden. Welche Künstler das betreffen könnte oder irgendwelche Details des Programms hörte man bei dieser ersten Vorstellung nicht – es werde eine Mischung aus lokal und international sein, hieß es nur. Jedenfalls habe man schon mit österreichischen Künstlern wie Ashley Hans Scheirl, Josef Dabernig, Isa Rosenberger und Oliver Ressler gearbeitet.

Wie aber wird das Finanzielle aussehen für ein Direktorinnen-Kollektiv? Mit Brecht gesagt: „Wovon lebt der Mensch?“ (Dieses Zitat aus der „Dreigroschenoper“ haben WHW einst als Motto für ihre Istanbul-Biennale ausgegeben.) Das Honorar, das Schafhausen bekommen hat, werde jedenfalls nicht dreimal ausbezahlt, so Kaup-Hasler. Es werde auch nicht durch drei dividiert, man habe eine Lösung dazwischen gefunden. Im Unklaren blieb auch noch, was mit dem Team der Kunsthalle passieren werde, das u. a. von Schafhausen mitgebracht wurde.

Standortfrage: „nicht akut“

Auch andere Zahlenspiele blockten WHW und Kaup-Hasler ab, etwa Fragen nach der Publikumsfrequenz der einst unter Gerald Matt populären Kunsthalle, die Schafhausen auf die eines Kunstvereins mit durchschnittlich 70.000 Besuchern pro Jahr heruntergefahren hat. Die einzige Vorgabe an die neue Leitung in punkto Besucherzahlen sei „mehr“, so Kaup-Hasler.

„Mehr“ auch im Sinne von „breiter“: Man will Besucher aus Bevölkerungsschichten locken, die bisher nicht in die Kunsthalle kamen. „Das Generieren von neuem Publikum jenseits des Fachpublikums ist mir wichtig“, betonte Kaup-Hasler. Dass der eher versteckte Standort der Kunsthalle im Museumsquartier dafür nicht ideal sei, sei nicht von der Hand zu weisen, die Standortfrage im Moment sei aber „nicht akut“, das müsse erst mit der Stadtentwicklung und der neuen Leitung erarbeitet werden. Zunächst freue sie sich über den Neubeginn mit unprätentiösen, fröhlichen, intellektuellen Kulturarbeiterinnen, erklärte Kaup-Hasler und schloss mit einem Slogan: „Don't cry, work!“

GESCHICHTE der Kunsthalle Wien

1992 wurde die Kunsthalle im (von Adolf Krischanitz gebauten) Container am Karlsplatz unter Gründungsdirektor Toni Stooss eröffnet.
1996 folgte Gerald Matt, der 2001 den Umzug der städtischen Institution ins MQ vollzog. Viele Künstler internationalen Renommees hatten hier ihre ersten großen Ausstellungen in Österreich, so Louise Bourgeois, Yayoi Kusama, Shirin Neshat.

2012 endete die Ära Matt mit einem Skandal wegen angeblicher privaten Bereicherungen, von dem nach Jahren der Prozesse juristisch nichts übrig blieb. Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny bestellte daraufhin den Deutschen Nicolaus Schafhausen, der in Wien nie richtig angekommen schien.

2018 gab Schaffhausen bekannt, seinen Vertrag vorzeitig zu lösen. Die neue Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler ließ neu ausschreiben, 83 Bewerbungen gingen ein.
Am Mittwoch wurde das Kollektiv „What, how & for whom“ präsentiert.

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