Tarnname „Lucky Luke“: Johannes Dürr wieder im Doping-Sumpf

Archivbild: Johannes Dürr 2011 nach einem Weltcuprennen in Russland.
Archivbild: Johannes Dürr 2011 nach einem Weltcuprennen in Russland.(c) imago sportfotodienst (imago sportfotodienst)
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Kronzeuge Johannes Dürr soll bis Ende 2018 Blutdoping betrieben haben, die Spuren führen erneut nach Erfurt. Auch die beiden geständigen ÖSV-Langläufer Max Hauke und Dominik Baldauf belasten den Niederösterreicher.

Wien/Innsbruck. „Der Weg zurück“ des Johannes Dürr führte nicht zurück zur Weltspitze des Langlaufsports, sondern zurück in den Doping-Sumpf. Unter diesem Titel war im Jänner das Buch des Niederösterreichers erschienen, das seinen Comeback-Versuch nach dem Dopingskandal bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi (Epo, zwei Jahre Sperre) begleitet hat – und das nun in völlig neuem Licht erscheint.

Am Mittwoch wurde bekannt, dass der 31-Jährige in Innsbruck festgenommen worden war. Noch im Jänner hatte Dürr mit seinen Aussagen in einer ARD-Fernsehdokumentation („Die Gier nach Gold“) den bei der nordischen WM in Seefeld aufgeflogenen Dopingskandal ins Rollen gebracht, nun besteht bei ihm selbst der Verdacht des Sportbetrugs,

In der mehrstündigen Einvernahme in Innsbruck hat Dürr gestanden, auch in den Jahren nach Sotschi und bis zuletzt Eigenblutdoping betrieben zu haben. Der ARD-Dopingredaktion zufolge habe er Blutdoping im Spätsommer, Oktober und im Dezember 2018 eingeräumt. Demnach habe ihn zuerst der in Erfurt verhaftete Sportmediziner Mark S., mutmaßlicher Drahtzieher eines großen Doping-Netzwerks, persönlich an der Raststation Irschenberg bei München behandelt. Danach folgten Behandlungen von Assistenten von S. in Pichl bei Schladming und in Campra im Tessin. Damit führen die Spuren erstmals auch in die Schweiz. Dürrs Blut habe S. unter dem Tarnnamen „Lucky Luke“ deponiert, berichtet die ARD.

Die Innsbrucker Staatsanwaltschaft verdächtigt den Langläufer außerdem, dass er andere Sportler an Sportmediziner S. vermittelt habe. Weil Dürr zur Finanzierung seines geplanten Comebacks Crowdfunding betrieben und so knapp 40.000 Euro lukriert hat, steht zudem Betrugsverdacht im Raum.

Zwar wurde Dürr am späten Dienstagabend wieder enthaftet. Dennoch scheint nun klar, dass der Zollbeamte und Wahl-Tiroler seine anfängliche Zusicherung, umfassend mit den Behörden zu kooperieren, bis zuletzt nicht umgesetzt hat. Speziell zu seinen Kontakten und Hintermännern soll sich Dürr offenbar bedeckt gehalten haben. Der Innsbrucker Staatsanwaltschaft zufolge stellt er auch weiterhin in Abrede, andere Athleten an Sportmediziner S. weitervermittelt oder sich dabei unrechtmäßig bereichert zu haben.

Dürr als Tippgeber

Eine Vermittlerrolle von Dürr liegt allerdings nach einem Interview von Max Hauke und Dominik Baldauf in der „Kronen Zeitung“ (Mittwoch) nahe. Die beiden österreichischen Langläufer, die den Ermittlern bei den Doping-Razzien in Seefeld ins Netz gegangen waren (Hauke wurde in seinem Hotelzimmer auf frischer Tat ertappt), erzählten, dass Dürr sie 2016 auf Sportarzt S. in Erfurt aufmerksam gemacht habe. „Dürr erklärte mir, dass es ohne Doping nicht möglich sei, an die Spitze zu kommen. Und dass uns sein Erfurter Arzt helfen könne“, wird Baldauf zitiert. Ihre erste Blutabnahme sei dann im Sommer 2018 erfolgt, erklärte Baldauf, die Rückführung vor den Wettkämpfen im Winter. Alles sei „extrem professionell organisiert“ gewesen.

Hauke berichtet weiters, dass er nach den Bewerben keine einzige Dopingkontrolle gehabt hätte, Baldauf eine, der Test sei negativ gewesen. „Es reicht, nach dem Rennen ein Glas Salzwasser zu trinken, dadurch wird das Blut so stark verdünnt, dass die Werte normal sind. Wer beim Blutdoping bei einem normalen Check auffliegt, muss ein Trottel sein.“

Beide zeigten sich reuig. Hauke: „Uns ist bewusst, dass wir enormen Schaden angerichtet haben.“ Baldauf: „Wir haben so viel kaputtgemacht, und wir entschuldigen uns dafür. Wir bereuen zutiefst, dass wir gedopt haben.“

Ko-Autor Prinz fassungslos

Dürr selbst erklärte am Mittwoch in einem Telefonat mit der ARD lediglich, dass er seine Karriere bereits beendet habe. Dies sei mit dem Scheitern in der Qualifikation für die Heim-WM einhergegangen.

Ab dem Jahr 2018 hatte er ohne Unterstützung des ÖSV an einem Comeback im Leistungssport gearbeitet, Ziel war es, als vierter Mann für die österreichische Langlaufstaffel in Seefeld nominiert zu werden. Doch die Leistungen blieben – offenbar trotz Blutdoping – aus. Bei unterklassigen FIS-Rennen im Februar kam Dürr nicht unter die besten 45 und verpasste daher auch die Qualifikation für die Heim-WM.

Parallel arbeitete er mit dem niederösterreichischen Schriftsteller Martin Prinz am Buch „Der Weg zurück“. Ko-Autor Prinz erklärte am Mittwoch: „Es gibt an diesem Tag keine Worte, die das Geschehene auch nur annähernd fassen. In diesen Augenblicken ersuche ich darum, meine Traurigkeit als zuerst ganz persönlich zu respektieren. Es wird Zeit brauchen, bis ich in Worte fassen kann, was diesen Betrug und Vertrauensbruch über alles Persönliche hinaus womöglich so symptomatisch macht.“

Auch das Nachrichtenmagazin „Profil“ begleitete Dürr bei seinem Comeback-Versuch. Dort wurde der Niederösterreicher im Mai noch folgendermaßen zitiert: „Würde ich abermals als Gedopter überführt werden, wäre ich als Sportler und Mensch erledigt. Ich wäre juristisch, menschlich, sportlich am Ende. Ich hätte jegliches Vertrauen, das in mich gesetzt wurde, verspielt. Meine Geschwister und meine Mutter würden jedes Zutrauen in mich verlieren.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2019)

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