Gelebte Diversität: Lang war das nur eine Phrase. Nun nimmt die Modebranche einen überfälligen Wandlungsprozess hin zu inklusiveren Strukturen in Angriff.
Virgil Abloh gibt sich in Interviews zumeist eher unaufgeregt und zurückhaltend. Deshalb erregte es umso größere Aufmerksamkeit, als er seinem Langzeitfreund und Förderer Kanye West nach einem Defilee bei der Pariser Modewoche der Paris Fashion Week letzten Juni sichtlich gerührt und ungeniert vor laufender Kamera in die Arme fiel. Es handelte sich bei der Umarmung um das große Finale einer ohnehin mit Spannung antizipierten und auf sozialen Medien prominent gefeaturten Kollektion. Seit einem Jahr ist Abloh nämlich der neue Kreativdirektor der Männerkollektion von Louis Vuitton, und der Hype um seine Person will nicht abreißen.
Seine Premiere auf der Fashion Week Paris nutzte er auch, um den Ton für seine zukünftige Arbeit bei Louis Vuitton zu setzen. Dabei war die plakative Symbolik der Show so zugänglich wie zeitgemäß: Der Laufsteg im Palais Royal erstrahlte in allen Farben des Regenbogens, die Show selbst lief unter dem Titel „We Are the World", und jeder Gast erhielt eine Weltkarte, welche die Herkunft der einzelnen – mehrheitlich nicht weißen – Models und ihrer Eltern anzeigte. Medial wird Virgil Abloh als Zeichen des Fortschritts in einem schleppenden Prozess hin zu mehr Diversität in der Modebranche gefeiert. Der 38-jährige Designer aus Illinois ist Sohn ghanaischer Immigranten und der erste afroamerikanische Chefdesigner in der 165-jährigen Geschichte des französischen Modehauses. Neben Olivier Rousteing, der die Kollektionen von Balmain entwirft, ist er der einzige Designer nicht weißer Hautfarbe in Paris. Diversität soll unter der Ägide von Abloh nun neue Bedeutung erhalten, vom Schlagwort zur Realität werden.