Wenn ein Mitgesellschafter pleitegeht

Wenn Mitgesellschafter pleitegeht
Wenn Mitgesellschafter pleitegeht(c) Clemens FABRY
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Wechselseitige "Übergabsverträge auf den Insolvenzfall" würden das Ausscheiden des in Konkurs befindlichen GmbH-Gesellschafters ermöglichen.

Linz.Macht das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 Gesellschaftsverträge, an denen der Schuldner beteiligt ist, unauflösbar? Falls ja – es gibt einen Ausweg aus dieser Falle.

Hoenig/Viehböck haben (im „Rechtspanorama“ vom 29. März) Befürchtungen geäußert, auch gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte könnten von der in § 25a Insolvenzordnung (IO) vorgesehenen sechsmonatigen Kündigungs- und Auflösungssperre erfasst sein. Dies bedeutet, dass für den Konkursfall eines Mitgesellschafters im Gesellschaftsvertrag üblicherweise vorgesehene Aufgriffsrechte nicht mehr gelten würden. Die Gesellschaft müsste zwangsweise mit dem Insolvenzverwalter als Mitgesellschafter fortgesetzt werden – auch wenn dies kein Beteiligter wünscht. Die bisherige Rechtsprechungslinie und Firmenbuchpraxis zum Konkursfall eines GmbH-Mitgesellschafters (sofortige Aufgriffsmöglichkeit der Mitgesellschafter rückwirkend auf den Tag der Konkurseröffnung gegen Bezahlung eines reduzierten Aufgriffspreises in die Masse) wäre nicht mehr anwendbar. Dazu käme, dass wohl unzählige Aufgriffsbestimmungen in bestehenden Gesellschaftsverträgen nichtig würden.

Wie „Schenkung auf Todesfall“

Die Nichtauflösbarkeit des Gesellschaftsverhältnisses mit dem insolventen Gesellschafter kann bei der GmbH vermieden werden: Sämtliche Gesellschafter übereignen einander in wechselseitigen, unabhängig vom Gesellschaftsvertrag in Notariatsaktsform abzuschließenden „Übergabsverträgen auf den jeweiligen Insolvenzfall“ (analog zur Schenkung auf den Todesfall mit notariellem Vertrag, wie in §76 GmbHG vorgeschrieben, unter Widerrufsverzicht und gegen Aushändigung von Vertragsausfertigungen) ihre Geschäftsanteile den Mitgesellschaftern zu bereits vorbestimmten oder auf kurzem Weg durch einen Sachverständigen bestimmbaren Abtretungspreis. Der Übergang des Geschäftsanteils würde dann nämlich mit 0.00Uhr des Tages der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattfinden: Gemäß § 903 ABGB erwirbt man ein Recht, das man an einem bestimmten Tag erwirbt, immer mit Beginn dieses Tages. Die „Schenkungen auf den Todesfall“ und die „Übergabsverträge auf den Konkursfall“ haben gemeinsam, dass der Verlust der Geschäftsfähigkeit des Übertragenden, im einen Fall durch den Tod, im anderen Fall durch die Konkurseröffnung, den Rechtsübergang auslöst, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung bedarf. Der Schuldner hätte somit seine Vertragsverpflichtung ohne weiteres Zutun schon am Tag der Konkurseröffnung erfüllt.

Möglich wäre allerdings noch ein Rücktritt des Masseverwalters vom Übergabsvertrag (§ 21/1 IO), sofern der Abtretungspreis für den Geschäftsanteil zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht vollständig bezahlt oder treuhändig hinterlegt sein sollte. Zeichnet sich jedoch der Konkurs eines Mitgesellschafters ab, könnte der Kaufpreis für den Geschäftsanteil vorsichtshalber bei einem Treuhänder hinterlegt werden – damit hätten auch die Erwerber ihre Vertragspflichten erfüllt, der Rücktritt des Masseverwalters wäre ausgeschlossen.

Diese Situation wäre für beide Seiten (Mitgesellschafter und Masseverwalter) wesentlich angenehmer als die drohende Nichtauflösbarkeit des Gesellschafterverhältnisses mit dem Schuldner. Aus Sicht des Insolvenzverwalters deshalb, weil der Masse sofort Liquidität zuflösse. Aus Sicht der Mitgesellschafter, weil ihnen ein „Klotz vom Bein“ (© Hoenig/Viehböck) genommen würde.

Dr. Gernot Fellner ist Notar in Linz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2010)

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