Präventionsgesetze: Kabarettisten keine Terroristen

Praeventionsgesetze Kabarettisten sind keine
Praeventionsgesetze Kabarettisten sind keine(c) Illustration Vinzenz Schüller
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Das Verächtlichmachen von Personen wird doch nicht als terroristisches Delikt eingestuft. Strafbar ist es aber künftig, die Würde von Behinderten, Pensionisten oder Homosexuellen öffentlich zu verletzen.

Wien. Am Dienstag will der Ministerrat die neuen Antiterrorgesetze beschließen. Der ursprüngliche Entwurf von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner war von mehreren Seiten als überschießend kritisiert worden. Auch die SPÖ wollte nicht zustimmen. Der „Presse“ liegt der überarbeitete und mit der SPÖ abgesprochene Entwurf vor. Dieser sieht Präzisierungen vor, bleibt aber nicht unumstritten.

Änderungen gab es zum Beispiel beim Delikt der Verhetzung. Dieses begeht, wer öffentlich zu Gewalt oder feindlichen Handlungen gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen auffordert oder Hetze betreibt. Es reicht aber auch, wenn man Mitglieder der geschützten Gruppen derart verächtlich macht, dass die Menschenwürde verletzt wird. Das Delikt ist nicht neu. Nach den ursprünglichen Plänen sollte es aber in die Liste der terroristischen Straftaten aufgenommen werden. Damit könnte unter gewissen Umständen eine höhere Haftstrafe verhängt werden. Von diesem Plan rückt der neue Entwurf ab. Also drohen für Verhetzung (§283 des Strafgesetzbuchs) weiterhin maximal zwei Jahre Haft.

Ausgeweitet wird aber wie geplant der Kreis der geschützten Gruppen. Angehörige einer bestimmten Religion, einer Rasse, eines Volks oder eines Staates durften wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe bereits bisher nicht verächtlich gemacht werden. Auch die Gruppe als solche ist geschützt. Künftig sind auch verächtlich machende Worte wegen des Geschlechts, des Alters, der sexuellen Ausrichtung, der Weltanschauung oder einer Behinderung untersagt. Sind dann Kabarettisten strafbar, die öffentlich über Schwule, Frauen, Pensionisten oder Behinderte spotten? Nein, meint das Justizministerium. Auch in der Vergangenheit habe es in der Judikatur keine Fälle gegeben, in denen Komiker verfolgt wurden. Zum Schutz der Gruppen sei man überdies international verpflichtet.

Dem widerspricht Ingeborg Zerbes, Strafrechtlerin an der Uni Wien. Da bereits das Verächtlichmachen strafbar sei, wäre eine Anklage gegen Kabarettisten möglich, meint sie. „Das Risiko besteht“, sagt die Juristin zur „Presse“. Überdies sei Österreich durch internationale Vorgaben zwar verpflichtet, bestimmte Gruppen vor Verhetzung zu schützen (etwa wegen der Rasse). Aber nicht alle der im Gesetz aufgezählten Gruppierungen müssten wegen internationaler Vorgaben geschützt werden.

Spott über Papst schon strafbar?

Und auch wenn es bisher keine Verurteilungen von Kabarettisten gibt, scheine bereits jetzt eine Strafverfolgung möglich. „Zum Beispiel, wenn man mehrfach über den Papst spottet“, erklärt Zerbes. Das Verächtlichmachen einer religiösen Gruppe und ihrer Angehörigen ist schließlich bereits jetzt unter Strafe gestellt.

Und welche Verurteilungen gab es wegen des Verhetzungsparagrafen? Das Oberlandesgericht Graz wertete etwa die Äußerung, man habe nichts gegen Neger, jeder sollte sich einen halten, als Verhetzung(9 Bs 462/96). Auch wer von der „hebräischen Hochfinanz“ spricht, kann strafbar sein (OLG Linz, 9 Bs 317/95). Das OLG Wien sah bei einem schwer alkoholisierten Raufbold hingegen keine Verhetzung: Er hatte die Äußerung „Scheiß Zigeuner, ihr gehört alle weggeräumt, ihr werdet nie eine Ruhe haben“, getätigt. Der Satz, so das Gericht, bestreite zwar das Lebensrecht der „Zigeuner“. Im konkreten Fall sei er aber in der Absicht der Beschimpfung vorgebracht worden (auf die Beleidigung einzelner Personen stehen maximal drei Monate) – und nicht tendenziös als Appell an Gefühle gegenüber Angehörigen gegnerischer Gruppen (22 Bs 181/91).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2010)

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