Kampf den sozusagen-Sagern

Kampf sozusagenSagern
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Ein Satz, der über "ich muss aufs Klo" hinausgeht, kommt ohne "sozusagen" nicht mehr aus.

Heute begeben wir uns wieder einmal auf den Misthaufen unnötiger Füllwörter. Dort kramen wir ein wenig in einem besonders großen Stapel Unsäglichkeiten wie „irgendwie“ und „eigentlich“ herum, um schließlich zu einem der größten Verschmutzer der deutschen Sprache zu gelangen. Aufgebläht und scheinbar notwendig mäandert es sich durch unzählige Reden und Sätze. Doch innen drin findet sich doch nicht mehr als gähnende Leere, maximal heiße Luft – das „sozusagen“, das gedankenlos in Sätze eingebaut wird, wo es so überhaupt nichts zu suchen hat. Ursprünglich dafür gedacht, um eine vorsichtige, distanzierte Einstellung des Sprechers auszudrücken, mit der er seine Aussage relativiert, hat sich das Adverb zunehmend verselbstständigt und zum allseits einsetzbaren und doch nie passenden Blähwort gewandelt. „Wenn man es so ausdrücken will“ als Langfassung, die als Begleitung eines metaphorischen Ausdrucks dem Zuhörer ein Eingeständnis liefert, dass das damit gemeinte Objekt nicht korrekt oder ausreichend beschrieben wird, hat ja grundsätzlich eine Berechtigung. Doch allzu oft wird das „sozusagen“ lediglich anstelle eines den Redefluss unterbrechenden „äh“ eingesetzt – als Kennzeichen einer Phase, in der ein neuer Gedanke in das Sprachzentrums des Gehirns nachgeladen werden muss. Einmal darauf sensibilisiert, bemerkt man erst, wie sehr diese neun Buchstaben schon unsere Ausdrucksfähigkeit unterwandert haben. Kaum ein Satz, der in seiner Komplexität über „ich habe Hunger“ oder „ich muss aufs Klo“ hinausgeht, scheint mehr ohne ein zwischengeschaltetes „sozusagen“ auszukommen. Traurig, aber wahr: Es scheint fast so, als hätten heute die sozusagen-Sager schon das Sagen – sozusagen.


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2010)

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