Es geht uns Frauen heute in Europa fantastisch

(c) Peter Kufner
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Ganz ohne Quoten werden wir und unsere Töchter die Männer in den nächsten zwei Jahrzehnten nahezu überrennen. Weil wir gut sind.

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Die Hiobsbotschaft zum Stand der weiblichen Emanzipation erreicht uns pünktlich zum Weltfrauentag: Das weibliche Geschlecht erledigt immer noch doppelt so viel unbezahlte Hausarbeit wie Männer, weiß das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zu berichten. Fehlen noch die obligatorisch dramatischen Zahlen zum Gender Pay Gap und den fehlenden weiblichen Sitzen in DAX-Vorständen, damit niemand auf den Gedanken kommt, 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts sei irgendetwas in Sachen Gleichberechtigung besser geworden.

Das Glas ist stets halb leer. Es muss. Es wäre fatal, würden wir uns als Frauen nicht regelmäßig in altbewährter Opferhaltung zu solchen Anlässen selbst beweinen, alternativ jemanden für unsere angebliche Misere beschuldigen. Die Gnade der späten Geburt erlaubt uns heute als Frau die Früchte des Feminismus zu genießen, zwingt aber auch in das Dilemma, wie auch weiterhin Posten, Budgets und Aufmerksamkeit für die Frauenbewegung selbst ohne Bedarf zu sichern sind.

Obwohl wir in Deutschland seit gefühlter Ewigkeit inzwischen eher schlecht als recht von einer Frau regiert werden, diskutieren wir gerade angeführt von einer Justizministerin ernsthaft, das Verfassungsrecht auf freie, demokratische Wahlen in der Form zu ruinieren, dass man zukünftig paritätisch gleich viel Frauen und Männer in ein Parlament wählen muss, ob man nun will oder nicht.

Es fehlt noch die Trans-Quote!

Der Zweck heiligt die totalitären Mittel. Freilich ist auch das noch nicht das Ende der sexuell vielfältigen Fahnenstange, es fehlt noch die Trans-Quote. Der überforderte Durchschnittsmann hat sich schon lang aus der Auseinandersetzung verabschiedet. Richtig machen kann er sowieso nichts.

Nun ist es nicht so, dass es für Feministinnen keinen Handlungsbedarf mehr gäbe. Sie sind bloß so sehr beschäftigt damit, irgendwo noch eine Unisextoilette feierlich zu eröffnen, einen alten weißen Mann in gendergerechte Sprache einzuweisen oder irgendwo eine Frauenquote einzuführen, dass sie sich auch nicht um alles kümmern können. Nicht um die Mütter, die immer noch in der Altersarmut landen, weil ihre zeitliche und finanzielle Investition in das gesellschaftliche Humankapital der Zukunft, früher sagte man: die Erziehung von Kindern, immer noch so wenig finanzielle Anerkennung in der Rente bringt, dass wir sie dafür abstrafen, dass sie uns die Rentenzahler von morgen großgezogen haben. Selbst schuld, Mädchen. Wärst du eben arbeiten gegangen, so wie man es dir erklärt hat.

Auch nicht um jene Frauen, deren Problem nicht im einheimischen alten weißen Patriarchen besteht, der nicht abwaschen will, sondern in dem jungen zugewanderten Mann, der in Sachen Frauenemanzipation den Stand des Mittelalters hält, auch wenn er europäische Grenzen überschritten hat. Statt anzuprangern, dass mitten in Europa wieder vermehrt Mädchen verprügelt und ermordet werden, weil sie nicht mehr Jungfrauen sind, sich nicht zwangsverheiraten lassen wollen. Oder statt zu kritisieren, dass man Frauen nicht mehr überall die Hand gibt, weil sie Frauen sind, oder sie als Freiwild betrachtet, weil sie allein und unverschleiert durch die Straßen laufen, begnügt sich der Nachwuchsfeminismus damit, all jene als Rassisten zu beschimpfen, die diese Zustände anprangern. Sie verschwestern sich lieber weltweit mit Hijab-Trägerinnen, die ihre Verschleierung zum feministischen Akt hochstilisieren. Islamisten und Feministinnen in trauter Zweisamkeit. Deswegen hat man auch weder Zeit noch Lust, die Frauen im Iran zu unterstützen, die dafür kämpfen, ihr Haar einmal in den Wind zu hängen. Die selbst ernannte „feministische Regierung“ Schwedens bedeckt züchtig die weiblichen Häupter mit Tüchern, man biedert sich international den frauenverachtenden Mullahs an und verteufelt lieber den Nachbarn, der seiner Frau nicht beim Putzen hilft. Ist ja auch einfacher.

Man ist beschäftigt mit der Erstellung von Nationalhymnen, Kinderbüchern und Bachelor-Arbeiten in gendergerechter Sprache. Oh ihr Töchter Österreichs, für irgendetwas muss das neu erworbene Gender-Zertifikat ja später einmal gut sein! Man setzt sich für den schwulen Mann ein, der auch Kinder will, selbst wenn er dafür eine Frau als Brutkasten ausnutzt und ihr später das Kind abkauft. Sie nennen es Leihmutterschaft, faktisch ist es moderner Menschenhandel. Man setzt sich lieber für uneingeschränkte legale Abtreibung lebensfähiger Drei-Kilo-Kinder bis zum Einsetzen der Wehen ein, statt dafür, dass Frauen ihre Kinder ohne Gegendruck von Mann und Familie bekommen können. Man setzt sich für die Rechte sexueller Minderheiten ein, vergisst aber die Durchschnittsfrau mit Durchschnittsleben und ihren statistischen 1,4 Kindern, die sie ohne Armut großziehen will. Ich verstehe das. Die persönliche Daseinsberechtigung als genderqueere, intersektionale Netzfeministin muss täglich neu rückversichert werden, das kostet Zeit. Normalität im Reihenhaus ist da weniger sexy als der antirassistische Stuhlkreis im feministischen Seminar.

Gendersensibler Karneval

Gerade feiert das deutsche Feuilleton eine spaßfreie Moralapostelin, die im Karneval einen Komiker auf der Bühne unterbrach, der Scherze über weibliche Doppelnamen machte. Böser alter weißer Mann! Nur wenige Tage später steht die Doppelnamen-Kurzhaarschnitt-CDU-Parteichefin Kramp-Karrenbauer selbst am Pranger wegen eines relativ bescheidenen Scherzes über Unisextoiletten und Transsexuelle. Merke: Auch ein weiblicher Doppelname schützt nicht vor dem Strafgericht genderbewegter Empörungsbeauftragten. Der Karneval wird demnächst gendersensibel überwacht. Keine Witze mehr über Frauen, Doppelnamen, Schwule, Transen und sonstige Minderheiten. Hausfrauen und Trump geht aber weiterhin.

Die gute Nachricht kommt zum Schluss. Es geht uns als Frauen fantastisch im Europa des 21. Jahrhunderts. Ganz ohne Quoten werden wir und unsere Töchter die Männer innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte nahezu überrennen. Weil wir gut sind. Klug sind. Frauen kommen langsam, aber gewaltig, sang einst Jule Neigel. Wir sind später losgelaufen als die Männer. In einer globalen Welt darf man sich aber nicht auf vermeintlich sicheren Standards ausruhen. Der Backlash der Emanzipation droht in heimischen Breitengraden trotz gegenteiliger Behauptungen jedoch nicht durch die renitente Hausfrau, die ihre Kinder immer noch selbst erziehen will, sondern durch die Hybris und Ignoranz feministischer Luxusweibchen, die hart erkämpfte Errungenschaften aufs Spiel setzen, weil sie die neuen Gefahren für Frauen in Zuwanderungsgesellschaften ignorieren.

Und dann hätten wir noch eine Mammutaufgabe zu bewältigen, die seit Beginn der feministischen Bewegung brachliegt: Wie verhindern wir beim Den-Männern-Nachrennen, dass wir vor lauter Dekonstruktion von Geschlecht unsere Weiblichkeit verlieren? Glücklich Frau sein. Vielleicht die schwerste Aufgabe für die nächsten 100 Jahre Emanzipation.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

(c) Pukall Fotografie Studios | Kerstin Pukall

DIE AUTORIN

Birgit Kelle (*1975 in Rumänien) arbeitet als freie Journalistin und Autorin. Sie ist verheiratet, Mutter von vier Kindern und in zahlreichen Frauen- und Familienverbänden engagiert. Sie ist Mitglied der CDU. Kelle ist Autorin u a. von „Gendergaga“ – eine satirische Kritik an der aktuellen Gender-Mainstreaming-Politik und aktuell „Muttertier. Eine Ansage“ (Fontis Verlag) und schreibt als regelmäßige Kolumnistin u. a. für die deutsche Zeitung „Die Welt“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2019)

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