London: Käufer zwischen Deal und No-Deal

Wechselnd bewölkt ist derzeit der Wohnungsmarkt in London.
Wechselnd bewölkt ist derzeit der Wohnungsmarkt in London.(c) imago/Mint Images (Mint Images)
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Vom Wohnungsmarkt der britischen Hauptstadt kommen im Vorfeld des Brexit widersprüchliche Signale.

Auf dem Londoner Markt für Wohnimmobilien haben sich die Preise die längste Zeit nur in eine Richtung bewegt: nach oben. Diese Zeiten sind vorbei. 2018 sind die Hauspreise zum zweiten Jahr in Folge zurückgegangen – um fast ein Prozent. In einigen Bezirken sind sie im Verlauf des Jahres sogar so stark gesunken wie zuletzt während der Finanzkrise. Besonders stark fiel der Einbruch auf Zwölfmonatssicht mit Stand Oktober 2018 in der Londoner City (-13 Prozent) und in Tower Hamlets (-12 Prozent) aus.

Mehr Mieter

Für Simon Rubinsohn, Chefökonom beim Immobilienfachverband Royal Institution for Chartered Surveyors (RICS), ist eine Lösung bei den Brexit-Verhandlungen der Schlüssel, um mögliche Käufer zu bestärken, wieder auf dem Markt aktiv zu werden. „Ob das aber ausreichen wird, in London und Teilen des Südwestens, wo die Erschwinglichkeit unter Druck bleibt und die steuerlichen Änderungen am meisten zum Tragen kommen, wird sich weisen“, meint er.

Als grundsätzliches Problem gilt nämlich, dass der rasante Anstieg der Häuserpreise seit 2009 nicht von wachsenden Löhnen begleitet wurde. Zusätzlich verschärft wurde die Situation durch strengere Kriterien bei der Kreditvergabe. Die Folge: stark eingeschränkte Transaktionsvolumina im Vorjahr. In London wurde ein Rückgang auf das Niveau von 2009 verzeichnet. Der Mangel an leistbaren Wohnimmobilien hat aber auch zu einem Anstieg der Mietaktivitäten beigetragen. Zur Veranschaulichung: Heute sind 30 Prozent der Londoner Haushalte in einem stark von Eigentum geprägten Markt Mieter. Das ist doppelt so viel wie im restlichen Land. Das Angebot an Mietobjekten gegenüber dem vierten Quartal 2017 ist um 22 Prozent zurückgegangen, gleichzeitig haben die durchschnittlichen Angebotsmieten ein neues Allzeithoch erreicht.

Krisengestählte Stadt

In anderen Segmenten wurden aber auch verstärkte Marktaktivitäten verzeichnet. Mit knapp 19 Milliarden Euro wurde in London 2018 ein größeres Investmentvolumen verzeichnet als in allen anderen Metropolen weltweit. Gleichzeitig wurden am Büromarkt der Stadt mit 4,5 Millionen Quadratmeter so viel Flächen vermietet wie zuletzt 2014. „Trotz des schwierigen Sentiments zieht London weiterhin Mieter und Investoren an“, halten die Experten von Knight Frank fest. Daher sei man optimistisch, dass der Immobilienmarkt der Metropole auch in Zukunft von globaler Signifikanz sein werde. Beim Immobiliendienstleister verweist man auf die Überlebenskraft Londons als Wirtschaftsstandort. Tatsächlich hat die Themse-Metropole in den vergangenen Jahren so manche Krise überstanden. Wiederholt haben Beobachter einen Exodus von Unternehmen und Arbeitsplätzen in Richtung von Städten wie Dubai, Dublin, Frankfurt, Hongkong und New York vorausgesagt. Bisher hat sich davon aber nicht viel bewahrheitet.

Nur ein Frühlingslüfterl?

Im Februar ist der durchschnittliche Preis von im Großraum London neu auf den Markt gekommenen Wohnimmobilien zudem um 3,4 Prozent gestiegen. Bahnt sich also eine Trendumkehr an? Die Experten des Immobilienportals Rightmove sind skeptisch: Das sei ein für diese Jahreszeit durchaus üblicher Preisanstieg, wird betont und verweist darauf, dass im Vergleich zum Vorjahreszeitraum immer noch ein Minus von 2,1 Prozent zu Buche schlage. In der Region Inneres London sind die durchschnittlichen Immobilienpreise am höchsten. „Kommt also mehr als um diese Jahreszeit üblich auf den Markt, fallen Preisansteige übertrieben aus“, erklärt Miles Shipside, Direktor und Wohnungsmarktanalyst bei Rightmove. Da jetzt mehr Eigentümer von hochpreisigen Immobilien den Markt testen, sei der durchschnittliche Preis um 5,1 Prozent gestiegen. In der Region Äußeres London sei der Preisanstieg mit 2,2 Prozent gedämpfter ausgefallen. „Es wird sich zeigen, ob diese neuen Verkäufer mit ihren Preisvorstellungen das Interesse potenzieller Käufer wecken können“, so Shipside. Er glaubt, dass sich die Käufer für neu vermarktete Immobilien interessieren werden, die weniger kosten als noch vor einem Jahr. Gleichzeitig würden sie abwägen, ob sie jetzt einen Deal eingehen oder stattdessen abwarten, bis sich die politischen Unsicherheiten legen.

Trotz der jüngsten Preisanstiege, liegen die neuen Preisvorstellungen der Verkäufer deutlich unter dem Niveau der Vorjahresperiode. Nur in den erstklassigen Londoner Lagen ist ein Preisanstieg von ein Prozent auszumachen. Dort sind aber auch die Preisrückgänge in den vergangenen Jahren beträchtlich ausgefallen. In allen anderen Lagen der Themse-Metropole sind die Preise gegenüber dem Vorjahr zwischen 0,2 und 3,6 Prozent gefallen.

Knackpunkt harter Brexit

„Während der Londoner Markt 2018 insgesamt einen Wertrückgang erlebt hat, scheint es, als ob sich die Preisrückgänge im letzten Quartal des Vorjahres verlangsamt hätten“, sagt Stephanie McMahon, Head of Research beim Maklerbüro Strutt & Parker. Es sei interessant zu beobachten, dass die Londoner Kernmärkte Camden und Westminister sogar etwas Wachstum gezeigt hätten. „Das könnte ein Anzeichen für einen beginnenden Aufschwung im Herzen der Hauptstadt sein.“ Ein harter Brexit könnte diesen Hoffnungen aber einen Strich durch die Rechnung machen. Für dieses Szenario stellen Experten einen weiteren Preiseinbruch in Aussicht.

AUF EINEN BLICK

Widersprüchliche Signale. In London sind die Hauspreise im Vorjahr zum zweiten Mal in Folge gesunken. Die größten Verluste wurden mit einem Minus von 13 Prozent in der Londoner City und mit minus zwölf Prozent in Tower Hamlet registriert. Der Februar 2019 brachte im Großraum London hingegen bei Wohnimmobilien einen Preisanstieg von 3,4 Prozent. Immobilienexperten warnen vor verfrühter Hoffnung: Alles hänge vom Ausgang der Brexit-Verhandlungen ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2019)

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