Mundschutz statt Nadelstreif: Peinliche Verkleidung Ghosns sorgt für Erheiterung

Carlos Ghosn wurde als Handwerker getarnt
Carlos Ghosn wurde als Handwerker getarntREUTERS
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Kein Nadelstreif, sondern Schirmmütze und Mundschutz: Ex-Renault- und Nissan-Chef Carlos Ghosn war beim Verlassen der U-Haft in Japan als Handwerker verkleidet - eine gut gemeinte Idee seines Anwalts.

Keine Mails, kein Internet und Überwachungskameras: Ex-Nissan- und Ex-Renault-Chef Carlos Ghosn muss zwar nicht im Gefängnis auf seinen Prozess in Japan warten, aber er muss sich als Bedingung für seine Entlassung aus der Untersuchungshaft an strikte Regeln halten. Diese haben seine Anwälte ausgehandelt, damit der frühere Topmanager und Schmied des Bündnisses der Autobauer Nissan, Renault und Mitsubishi zunächst gegen Kaution freikommt. Bis zur Gerichtsverhandlung kann es noch ein Jahr dauern.

Am Mittwoch war Ghosn, der die französische, brasilianische und libanesische Staatsangehörigkeit besitzt, nach über 100 Tagen in Haft aus einem Tokioter Gefängnis entlassen worden. Dem 64-Jährigen wird finanzielles Fehlverhalten beim Renault-Partner Nissan vorgeworfen. Auch soll er sein Einkommen nicht vorschriftsmäßig und vollständig angegeben haben. Dem einst hoch angesehenen Topmanager der französisch-japanischen Auto-Allianz, der am Samstag 65 Jahre alt wird, droht in Japan eine mehrjährige Gefängnisstrafe.

Die Bedingungen für seine Entlassung gegen eine Kaution von einer Milliarde Yen (umgerechnet 7,9 Millionen Euro) sind zahlreich: Er hat weder Zugang zu Mails noch zum Internet. Er darf nur einen Computer in der Kanzlei eines seiner Anwälte benutzen, der nicht ans Netz angeschlossen ist. Am Eingang seines Hauses wurden - auf seine Kosten - Überwachungskameras installiert. "Die Kameras werden so platziert, dass sie die Ein- und Ausgänge überwachen können. Es geht nicht darum, Ghosns Alltag festzuhalten", betonte sein Anwalt Junichiro Hironaka. Die Aufnahmen werden von den Anwälten eingesehen und dann an das Bezirksgericht Tokio geschickt. Ähnlich wird mit Telefonaten verfahren, die ebenfalls aufgenommen werden.

Japan darf Ghosn nicht verlassen. Und wenn er mehr als zwei Nächte außerhalb seines Hauses in Tokio verbringen will, braucht er eine Genehmigung des Gerichts. Experten haben die Bedingungen als sogar für japanische Verhältnisse ungewöhnlich streng kritisiert. "Wir haben noch nie solche Kautionsbedingungen gesehen. Als ich sie gesehen habe, dachte ich, sie sind hart", sagte Shingi Bando von der Organisation Japan Bail Support Association. Sollte Ghosn gegen eine der Bedingungen verstoßen, läuft er Gefahr, wieder in Haft zu müssen und die Kaution zu verlieren.

Mundschutz statt Nadelstreif

Als Ghosn am Mittwoch das Gefängnis in Begleitung von Beamten verließ, war er in einen blauen Arbeitsanzug gekleidet und trug Kappe und Mundschutz. Er stieg in einen Mini-Van mit einer Leiter auf dem Dach. Ein eher ungewöhnlicher Auftritt für einen Mann, der nicht gerade für seine Bescheidenheit bekannt war. So hatte er die Hochzeit mit seiner zweiten Frau Carole im Schloss Versailles mit opulenten Kostümen im Marie-Antoinette-Stil gefeiert. Zur Kleidung Ghosns bei der Entlassung erklärte einer seiner Anwälte, man habe so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erregen wollen - was wegen des regen Medieninteresses aber nur teilweise gelang. Sein Rechtsbeistand Hironaka sagte: "Es sah so aus, als wüsste Ghosn, dass es nicht immer angebracht ist, elegant und selbstbewusst in teuren Markenanzügen aufzutreten."

Die Haftentlassung gilt als großer Erfolg der neu eingesetzten Verteidiger des Managers. Hironaka wird "The Razor" ("Das Rasiermesser") genannt, weil er in Japan - einem Land mit einer Verurteilungsrate von 99,9 Prozent - viele Fälle gewonnen hat. Im Februar hatte Ghosn ihn angeheuert. Sein vorheriges Verteidigerteam hatte zuvor zweimal versucht, ihn auf Kaution freizubekommen, war aber gescheitert. Das Gericht hatte die Beseitigung von Beweisen befürchtet.

Aber die Zweifel der Behörden sind nicht komplett ausgeräumt: Ein Tokioter Staatsanwalt sagte am Freitag, dass die Kautionsbedingungen nicht ausreichten, um zu verhindern, dass Beweise manipuliert würden.

(Reuters)

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