Sanierungsfall Deutschland

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Deutschland lebt von der Substanz. Funklöcher im Handynetz, gesperrte Brücken, verspätete Züge und marode Schulen belegen die Misere. Wie lang geht das noch gut?

Es war ein Moment von entwaffnender Ehrlichkeit. In wenigen Sätzen umriss Wirtschaftsminister Peter Altmaier die Misere der deutschen Infrastruktur und wie er sie am eigenen Leib erfährt: „Ich habe mein Büro angewiesen, dass ich auf Fahrten nicht mehr mit ausländischen Ministerkollegen verbunden werden möchte.“ Es sei ihm nämlich „total peinlich“, „wenn ich jedes Mal drei, vier Mal neu anrufen muss, weil ich immer rausfliege“. Also aus dem Netz.

Deutschland steht im Stau. Und zwar doppelt. 1.528.000 Staukilometer waren es 2018 laut Adac, eine Blechschlange so lang, dass man sie 38 Mal um den Erdball wickeln könnte. Aber die Republik steht auch seit 20 Jahren im Investitionsstau, der immer länger wird und sich in den Gemeinden auf 159 Milliarden Euro addiert. Das hat das Kommunalpanel der Kreditanstalt für Wiederaufbau 2018 errechnet. Wie kann das sein in der größten Volkswirtschaft Europas, die jährlich mit Budgetüberschüssen prahlt?

Es gibt zwar Geld, aber nicht immer dort, wo es nötig ist. Es geht um Föderalismus und Bürokratie. Um finanzarme Kommunen, die Fördergelder des Bundes nicht abrufen, weil das Personal weggespart wurde. Um teils elendslange Verfahren. Um eine ausgelastete Bauwirtschaft. Und um ein Land, das netto mehr spart als investiert. Zugleich drücken starke Geburtenjahrgänge, Migration und Binnenwanderung auf die Infrastruktur. Ist Deutschland ein Sanierungsfall? Im globalen Maßstab natürlich nicht. Aber die Infrastruktur reicht auch nicht aus, „um den Wohlstand für die Zukunft zu sichern“, sagt Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Vier Großbaustellen.

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