IS-Gefangene: "Wir werden uns rächen, das Blut wird euch bis zu den Knien stehen"

Was vom IS blieb. Viele Gefangene, auch Frauen, zeigen keine Reue.
Was vom IS blieb. Viele Gefangene, auch Frauen, zeigen keine Reue.APA/AFP/BULENT KILIC
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Besiegte Männer und Frauen aus der letzten syrischen IS-Bastion bei Baghouz bereuen nichts und träumen von einer Auferstehung ihres "Kalifats".

Angesichts der aktuellen Diskussionen über den Umgang mit Anhängern des IS, die aus Europa oder anderen Weltgegenden nach Syrien bzw. in den Irak gezogen waren, sich jetzt ergeben und vielleicht zurückkehren möchten, sind diese Beobachtungen vor Ort in Syrien nicht eben ermutigend: Nach Monaten unter Belagerung in der Ortschaft Baghouz, dem letzten Überrest des einstigen IS-"Kalifats" in Ost-Syrien, sind Jihadisten, die in Gefangenschaft vorwiegend kurdischer Truppen gingen und gehen, zwar sichtlich ausgehungert und vielfach verletzt. Doch selbst in der Niederlage ihres Terrorstaates geben sie sich reuelos und unbeugsam.

"Wir werden uns rächen, und das Blut wird Euch bis zu den Knien stehen", ruft etwa eine schwarz verschleierte Frau, die nach wochenlangem Beschuss die letzte Bastion des IS (Islamischer Staat) in einer Biegung des Euphrats an der Grenze zum Irak verlassen hat. "Wir sind gegangen, doch wird es neue Eroberungen geben", schreien andere Frauen und bewerfen eine Gruppe Journalisten mit Steinen. "Der Islamische Staat wird bleiben und größer werden."

"Gott verdammt die Frau, die einem Mann gleicht"

Als eine Journalistin mit entblößten Haaren sich nähert, packt eine der verschleierten Frauen sie bei den Haaren: "Liest du nicht den Koran? Schämst du dich nicht?", ruft sie. "Gott verdammt die Frau, die einem Mann gleicht", schreit eine andere.

APA/AFP/DELIL SOULEIMAN

Der Islamische Staat bezog seine Besonderheit und seine Attraktion aus dem Anspruch, ein Staat zu sein mit einer eigenen Währung, eigenen Schulen, eigener Wirtschaft und so fort. Heute ist davon nichts mehr übrig, und den letzten IS-Anhängern, die nach Wochen in Tunnels, Gräben und Zelten aus Baghouz humpeln, bleibt kaum mehr als die Kleider an ihren Körpern. Die Niederlage eingestehen wollen sie dennoch nicht, geschweige denn Reue zeigen.

"Die Feiglinge sind abgehauen"

"Wir erwarten den Sieg, so Gott will", sagt die 47-jährige Irakerin Umm Mohammed, die mit anderen Frauen in der Wüste wartet. "Die Nichtsnutze und Feiglinge sind abgehauen, und nun sind auch wir (Frauen, Anm.) gegangen, weil wir den Männern eine Last waren."

In der Nähe verrichten einige Frauen ihr Gebet oder lesen im Koran, während ein staubbedeckter Bub mit einem Lächeln auf den Lippen ein religiöses Lied zum Ruhm des IS singt.

Frau mit verletztem Kind
Frau mit verletztem KindAPA/AFP/BULENT KILIC

"Der Staat des Kalifats wird nicht verschwinden, er ist in den Hirnen und Herzen der Neugeborenen und der Kleinen eingebrannt", zeigt sich eine ältere Frau überzeugt, die ihren Namen nicht nennen will. Obwohl die endgültige Niederlage nur eine Frage der Zeit war und es aus Baghouz kein Entkommen mehr gab, harrten bis zuletzt tausende Frauen und Kinder mit den IS-Kämpfern im belagerten und zunehmend schrumpfenden "Kalifat" aus.

"Sie bleiben entschlossen und radikalisiert"

"Die IS-Anhänger, die aus den letzten Überresten des Kalifats geholt wurden, bleiben weitgehend reuelos, entschlossen und radikalisiert", bemerkte am Donnerstag der US-Kommandant im Mittleren Osten, General Joseph Votel. Mehr als 50.000 mutmaßliche IS-Anhänger haben sich seit Dezember den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) ergeben. Nun sind sie im Lager von Al-Hol interniert, das inzwischen völlig überbelegt ist.

Kurdische Soldaten durchsuchen IS-Anhänger
Kurdische Soldaten durchsuchen IS-AnhängerAPA/AFP/DELIL SOULEIMAN

Nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer, die am Rande von Baghouz auf den Abtransport nach Al-Hol warten, wollen sich nicht von dem religiösen Terrorsystem distanzieren. Statt Reue für die Gräueltaten zu zeigen, wirft ein am Fuß verletzter Mann der internationalen Anti-IS-Koalition "Terror" vor. "Ich habe mich nur wegen meiner Verletzung ergeben", sagt er, und betont, er sei seit Anbeginn des IS dort dabei gewesen.

Auch Abdel Moneim Najina, der mit seinen ergrauten Haaren weit älter als seine angeblich 30 Jahre wirkt, hofft weiter auf neue "Eroberungen" des "islamischen Kalifats", zeigt sich aber von der Führung enttäuscht. "Das Gesetz Gottes wurde angewandt, doch gab es Ungerechtigkeiten. Die Anführer haben Geld gestohlen und die Leute im Stich gelassen", sagt er. Auch vom IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi, dessen Verbleib unklar ist (mehrere Todesmeldungen sind nicht bestätigt), ist er enttäuscht. "Er hat uns Leuten anvertraut, die uns fallengelassen haben."

(APA/AFP)

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