Ökonom: Berlin soll sich von Türkis-Blau "inspirieren" lassen

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Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft sieht in Österreichs strategischer Wirtschaftspolitik ein Vorbild.

Es gibt dieses zu Tode geschriebene Zitat aus dem Jahr 2005, als die Titelseite des „Stern“ Österreich als „das bessere Deutschland“ adelte. Bald darauf begannen Schröders Sozialreformen, die Agenda 2010, zu greifen. Und danach ist Deutschland Österreich irgendwann enteilt. Vom „besseren Deutschland“ ist jedenfalls nichts mehr zu lesen. Auch jetzt nicht. Aber Ökonom Michael Hüther hat diese Woche im „Handelsblatt“ ein kleines Loblied auf Österreich angestimmt, das in dem Resümeé gipfelte: „Der Blick nach Österreich zeigt: Man kann nicht nur handeln, sondern man kann wirtschaftspolitisch sogar strategisch agieren.“ Hüther ist Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, das als arbeitgebernah gilt.

In Deutschland stünde derzeit ja der „Neo-Austro-Populismus Kurz'scher Machart im Mittelpunkt des Interesses“, schreibt Hüther. Das sei auch verständlich, aber eben mit dem Nachteil verbunden, „spannende Aspekte des österreichischen Regierungshandelns zu übersehen“. Dazu zählt er den 12-Stunden-Tag, der in Deutschland zwar nicht nötig sei, aber das strenge Arbeitskorsett müsse jedenfalls abgelegt werden. Es brauche mehr Flexibilität in Deutschland: „Wer abends seine E-Mails liest, verstößt bereits gegen die Mindestruhezeiten.“ Zweitens nennt Hüther das neue österreichische Standortentwicklungsgesetz, das die Planungsphase für größere Projekte verkürzen solle. In Deutschland beschäftige man sich ebenfalls damit, nur mangle es dort an der „Umsetzungsstärke“.

Skepsis gegenüber den Österreichern 

Drittens lobt Hüther noch (die angedachte, aber bisher an der nötigen Verfassungsmehrheit scheiternde) Staatszielbestimmung „wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort“, weil das die Politik bei Entscheidungen unter Rechtfertigungsdruck setze. Im deutschen Grundgesetz sei nur vom „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht“ zu lesen. Am Ende empfiehlt Hüther, sich trotz aller gegenseitigen Skepsis der Deutschen gegenüber ihrem südlichen Nachbar und umgekehrt von den drei rot-weiß-roten Lektionen „inspirieren zu lassen“.

--> Gastbeitrag im "Handelsblatt" (kostenpflichtig)

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