Acht Jahre nach Fukushima: Ein Lokalaugenschein

Atomkraftwerk Fukushima aktuell: Hauptkontrollraum für die stillgelegten Reaktorblöcke 3 und 4.
Atomkraftwerk Fukushima aktuell: Hauptkontrollraum für die stillgelegten Reaktorblöcke 3 und 4.Hiroto Sekiguchi / AP / picturedesk.com
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Warnschilder, die das Stehenbleiben und Aussteigen untersagen, eingeschlagene Fensterscheiben und eine Sperrzone mitten durch ein Wohnviertel. Fukushima acht Jahre nach der Reaktorkatastrophe – ein Lokalaugenschein.

Nur der Sternenhimmel ist über mir. Das Thermalwasser im Steinbecken umspült mich angenehm warm. Die Luft ist frisch und klar. Ich bin allein in meinem Dachterrassenbad im Furutakiya-Hotel in der Stadt Iwaki Yumoto Onsen. Ohne ihn zu sehen, erahne ich den kleinen Ortsschrein unter mir in der Tiefe, gewidmet den Göttern der heißen Quellen von Yumoto Onsen. Ein einfacher Holzschrein mit grünem, geschwungenem Dach, zwei steinerne Löwenwächter links und rechts, die Wächterhäuschen geschmückt mit rot-weiß gestreiften, aufgeschlagenen Fächern. Ein dickes Tau aus Reisstroh mit weißen Zickzack-Papieren daran trennt die Welt der kami von der diesseitigen Welt. Zwei bronzene Glocken an Seilen. Ihr scheppernder Klang weckt die Aufmerksamkeit der Götter. Dazu klatscht, wer daran glaubt, dreimal in die Hände und murmelt oder denkt ein Gebet oder einen Wunsch. Gleich hinter dem Schrein ist der Eingang zu einem kleinen Wäldchen, in dessen Dunkelheit noch mehr kamisama wohnen. Unsichtbar, wie die Radioaktivität, die in der Präfektur Fukushima seit dem 11. März 2011 noch immer vielerorts vermutet, befürchtet, mancherorts auch gemessen und nachgewiesen wird, und derer man weiterhin mit Dekontaminierungsarbeiten Herr zu werden versucht. Abgetragenes Erdreich in schwarzen Plastiksäcken. Bei jedem Besuch eine neue, höhere, größere Hügellandschaft aus Müllsäcken, ein neues, provisorisches radioaktives Zwischenlager. Millionen von Säcken. Kein Endlager in Sicht.

Im Onsen des Furutakiya Hotel könnte man leicht vergessen, wo man ist, wäre das Haus, ja der ganze Ort, nicht so leer, hätte man nicht das Gefühl, der einzige Gast in diesem riesigen Hotel zu sein. Errichtet 1695, einst ein Luxusbetrieb, ausgelegt für 300 Gäste, mit mehreren Bädern, Restaurants, Bar. Überdimensioniert auch das eigene Zimmer; locker könnten hier zehn Leute nebeneinander auf den Tatami-Matten schlafen. Das Furutakiya ist seit 16 Generationen in Familienbesitz, und noch wird es gehalten, obwohl die goldenen Zeiten für Badetourismus in heißen Thermalquellen schon lang vor der Dreifachkatastrophe vorbei waren. Seither verirrt sich aber kaum mehr jemand hierher, um zu kuren. Eine Zeitlang waren AKW-Arbeiter einquartiert, die zum rund 40 Kilometer entfernten Kraftwerk pendelten. Seit 2016 die zehn bis 20 Kilometer vom havarierten Kraftwerk entfernte Zone für „sicher“ und „bewohnbar“ erklärt worden ist, dürfen sie aus geringerer Entfernung zu ihrem Arbeitsplatz Fukushima Daiichi anreisen.

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