Totentanz der blassen Schatten

„Rückwärtswalzer“: In Vea Kaisers Roman wird die Drehbewegung des Tanzes zur Struktur einer morbiden Geschichte.

Im 18. Jahrhundert ist das Wort „(sich) walzen“, „(sich) drehen“ in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen, wie es auch im Literarischen vielseitige Dienste erweist. Und es ist auch diese Drehbewegung der Füße auf dem Boden (– und Grund des Lebens), der sich Vea Kaiser in ihrem dritten Roman, „Rückwärtswalzer“, metaphorisch annimmt oder sinnbildhaft als Textrahmen für eine Geschichte verwendet, in der das Tänzelnde und sich Drehende, das Reigenhafte und auch die Wanderschaft – vorrangig in stilistischer Hinsicht – eine bedeutungsgeladene und buchstäblich wegweisende Rolle spielt: Den Beginn der Geschichte, die in ihrem Fundament eine doppelbödige Funktion aufweist, weil sie auch als Familienhistorie gelesen wird, markiert die Aneinanderreihung von Alltagsschilderungen im Leben des einunddreißigjährigen Lorenz Prischinger.

Der mangels schauspielerischer Engagements in chronische Geldnot samt bürgerliche Existenzkrise geratene junge Mann muss seine innerstädtische Komfortzone verlassen und sich inmitten der Rustikalität eines Plattenbaublues-Milieus am Wiener Stadtrand bei Tanten und Onkel über Wasser halten (lassen). Ein unerwarteter Todesfall zieht dann bald unerwartete Konsequenzen nach sich, die ihre Wurzeln in längst vergangener Zeit haben. Ohne sein Auge und Ohr nicht ebenso auf und in die Vergangenheit zu richten, kann die Gegenwart genauso wenig in ihren Ausmaßen erfasst werden, wie die Zukunft irgend möglich einschätzbar ist.

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