Türkei verliert, Österreich noch stabil

Krise am Bosporus: Kurz vor den Kommunalwahlen rutscht die türkische Wirtschaft in eine Rezession.
Krise am Bosporus: Kurz vor den Kommunalwahlen rutscht die türkische Wirtschaft in eine Rezession.APA/AFP/BULENT KILIC
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Erstmals seit zehn Jahren rutscht die Türkei in eine Rezession. Auch in Österreich, Deutschland und Frankreich trübt sich das Bild ein. Aber Rezessionsgefahr herrscht noch keine.

Wien. Schlechte Nachrichten von der europäischen Konjunktur. Die Türkei rutscht erstmals seit 2009 in eine Rezession. In Frankreich senkt die Notenbank ihre Erwartungen. Anders das Bild in Deutschland und Österreich. Hier sinken zwar die Prognosen, es gibt aber auch positive Signale. Rezessionsgefahr herrscht in Mitteleuropa noch keine. Ein Überblick.

Türkei

Just vor den Kommunalwahlen Ende März gerät die Türkei in Schieflage: Die Wirtschaft ist im vierten Quartal 2018 um drei Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurückgegangen, wie die türkische Statistikbehörde (Tüik) mitteilte. Dies war das zweite Quartal in Folge, in dem die Wirtschaft schrumpfte. Damit ist die Türkei nun erstmals seit 2009 in die Rezession gerutscht.

Laut der Statistikbehörde lag das Wachstum im vergangenen Jahr bei 2,6 Prozent. Im Vorjahr hatte es trotz der politischen Turbulenzen nach dem Putschversuch vom Juli 2016 noch 7,4 Prozent erreicht. Im Sommer war die türkische Währung inmitten einer diplomatischen Krise mit den USA stark eingebrochen. In der Folge war die Inflation in die Höhe geschnellt. Die Türken leiden seit Monaten unter der hohen Inflation von zuletzt knapp 20 Prozent. Um der Preissteigerung bei Lebensmitteln zu begegnen, hat die Regierung städtische Verkaufsstände für verbilligtes Gemüse eingerichtet.

Deutschland

Die deutschen Unternehmen haben ihre Produktion im Jänner überraschend gedrosselt. Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 0,8 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das deutsche Wirtschaftsministerium am Montag mitteilte. Ökonomen hatten einen Anstieg um 0,5 Prozent erwartet, nachdem es im Dezember noch ein Plus von 0,8 Prozent gegeben hatte. Verantwortlich für den Rückgang ist vor allem die Fahrzeugindustrie. Sie drosselte ihre Fertigung um 9,2 Prozent.

Die Experten blicken deutlich skeptischer auf die deutsche Konjunktur und erwarten für 2019 nur noch 0,9 Prozent Wachstum. Grund zur Panik bestehe aber nicht. „Die deutsche Wirtschaft entwickelt sich derzeit zwar nicht allzu dynamisch, es deutet jedoch nichts auf eine Rezession hin“, sagte der Chefökonom des Essener Instituts RWI, Roland Döhrn.

Österreich

Die Konjunkturerwartung der österreichischen Industriebetriebe hat sich im Februar stabilisiert. Optimistische und pessimistische Bewertungen würden sich nun nahezu die Waage halten, schreibt das Wiener Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) am Montag. Unter den Dienstleistern sei die Stimmung „noch relativ optimistisch“.

Die Inflationsrate ist im Jänner auf 1,7 Prozent gesunken, den tiefsten Stand seit gut zwei Jahren. Im Dezember waren die Preise im Jahresabstand im Schnitt noch um 1,9 Prozent angestiegen. Der Ölpreisanstieg durch die Iran-Sanktionen 2018 ist wieder abgeklungen. Trotz eines schwachen Welthandels ortet das Wifo auch positive Konjunktursignale: „Der Handelskonflikt zwischen China und den USA entspannt sich“, erklärten die Wifo-Ökonomen. In China habe sich die Konjunktur abgekühlt, sei aber nicht eingebrochen. Und in Deutschland sei nun mit einer Stabilisierung der Autoindustrie zu rechnen.

Auch die österreichische Wirtschaft spürt schon etwas die Welthandelsflaute, die Ausfuhren wuchsen im vierten Quartal 2018 aber laut Wifo „noch relativ zügig“. Der Anstieg der Investitionen im Inland und die Herstellung von Waren hätten sich stärker abgeschwächt. Durch eine gute Nachfrage bei Bau- und Dienstleistungen sei die österreichische Wirtschaft im Jahr 2018 aber noch „recht robust“ gewachsen.

Frankreich

Die französische Notenbank hat ihre Prognose für das Wachstum der nach Deutschland zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone gesenkt. Frankreichs Bruttoinlandsprodukt werde im ersten Quartal wohl nur um 0,3 statt der bisher erwarteten 0,4 Prozent zulegen, sagte die Banque de France am Montag auf Grundlage ihrer monatlichen Unternehmensbefragung voraus. Die Industriestaaten-Organisation OECD rechnet für 2019 insgesamt mit einem Wachstum von 1,3 Prozent, während sie für Deutschland nur 0,7 Prozent erwartet. 2018 erreichte Frankreich ein Wachstum von 1,5 Prozent. Dazu trugen insbesondere steigende Exporte und höhere Unternehmensinvestitionen bei. (ag./jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2019)

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