Verspielte Hoffnung als ORF-Chance

Ein roter Publikumsratschef, ein in der Wolle rot gefärbter ORF-Chef – und auch noch ein roter Chef im Stiftungsrat?

Das geht aus Sicht der ÖVP gar nicht, wie höchste Kreise hinter vorgehaltener Hand klarstellen. Es geht nicht mehr. Denn mit dem langjährigen Leiter des SPÖ-Freundeskreises, Karl Krammer, als Vorsitzendem hätte sich die ÖVP abgefunden. Er wurde aber von der eigenen Partei ausgetauscht. Weshalb nun einige innerhalb der SPÖ ziemlich sauer sind auf die Parteizentrale generell und SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas im Besonderen. Statt Krammer zieht Nikolaus Pelinka ins Gremium ein. Er kann den Anspruch auf den Vorsitz (noch) nicht erheben.

Jetzt ist alles wieder offen. Und die Chancen stehen nicht schlecht, dass es wieder einen unabhängigen Vorsitzenden geben könnte. Gehandelt werden Constantia-Industries-Vorstand Alexander Hartig und Caritas-Präsident Franz Küberl. Hartig gilt als bürgerlich, hat gute Kontakte zu NÖ-Landeshauptmann Erwin Pröll und „Krone“-Herausgeber Hans Dichand – und ist Teilen der SPÖ suspekt.

Vielleicht teilt man sich die Posten des Vorsitzenden und Stellvertreters auch in großkoalitionärer Eintracht – zwischen Thomas Drozda (Vereinigte Bühnen Wien, SPÖ) und Franz Medwenitsch (Verband der Musikwirtschaft, Leiter des ÖVP-Freundeskreises). Dass sich ein reiner SPÖ-Kandidat (Rudolf Ertl oder Brigitte Kulovitzs-Rupp) oder jemand von der ÖVP (Margit Hauft) durchsetzt, gilt mittlerweile als eher unwahrscheinlich.


Ein mit einer starken Mehrheit verankerter unabhängiger Stiftungsratschef wäre ohnehin das Beste für den ORF. So gesehen, könnte die von der SPÖ verspielte Chance auf den Stiftungsratsvorsitz zur Chance für den ORF werden. Am Donnerstag fällt das Gremium in seiner konstituierenden Sitzung die Entscheidung. Eine Kampfabstimmung wäre fatal. Der ORF braucht für seine Reformbestrebungen eine breite Unterstützung im Rat – keinen politischen Kleinkrieg, bei dem es nicht um die Sache, sondern nur um Einzel- oder Parteiinteressen geht.


isabella.wallnoefer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2010)

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