Bosnien: Geld aus Wien für militante Moslems

(c) EPA (Saeed Khan)
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Die Regierung geht gegen moslemische Extremisten vor. Die auch für militante Wahhabiten in Österreich wichtige Drehscheibe verliert an Bedeutung. Die Szene wandert in den Sandschak ab.

WIEN. „Die bosnischen Verbindungsoffiziere mussten eigentlich nur auf die Autokennzeichen achten. Wenn viele österreichische mit einem ,W‘ dabei waren, wurden die österreichischen Behörden verständigt.“ Was der langjährige Beobachter der moslemischen Fundamentalisten-Szene aus Sarajewo erzählt, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten offenbar recht häufig zugetragen.

In der Hauptstadt Bosnien und Herzegowinas organisierte sich auch die gesamte extremistische Szene Österreichs und von großen Teilen Deutschlands, in Sarajewo saßen – lange völlig unbehelligt – die wichtigsten Verbindungsmänner für Prediger und Organisationen im deutschsprachigen Raum. Ungehindert wurde die Stadt als Drehscheibe für Versorgung mit Geld und Unterstützern genutzt.

Doch seit Beginn des Jahres fährt die bosnische Exekutive eine neue scharfe Linie. Ein Grund dafür liegt laut Beobachtern im Wunsch Bosniens, in den Genuss von Visaerleichterungen zu kommen.

Die Aktionen gegen die Islamisten begannen im Februar mit einer Razzia gegen die Wahhabiten im Dorf Gornja Maoca nahe der nordbosnischen Stadt Brčko. 600 bosnische Polizisten rückten mit Radpanzern in das Dorf ein, beschlagnahmten Jagdgewehre und Computer. Bei der Operation wurden zwar nur acht Personen verhaftet, die Behörden gehen aber davon aus, dass sie damit ein Terrorcamp zerstört haben.

Die Wahhabiten in Gornja Maoca hatten schon seit Jahren unter Beobachtung gestanden. Sie kapselten sich zunehmend ab, schickten ihre Kinder nicht mehr zur Schule und verboten den Bauern aus den Nachbarorten, sich dem Dorf zu nähern.

Saudische Unterstützung

Lokale Medien spekulierten Tage nach der Razzia über Verbindungen der Islamisten von Gornja Maoca nach Österreich. In Sarajewo wurde mehrmals behauptet, dass das Geld für den laufenden Betrieb aus Wien geflossen sei. Konkret soll ein als Scharfmacher bekannter Imam einer Moschee aus Wien Meidling „die Spenden“ dafür gesammelt haben.

Davon will man bei der österreichischen Exekutive nichts wissen, auch bei den Spezialisten im Verfassungsschutz bestätigt man diese Version so nicht. Aber: Kontakte hat es sehr wohl gegeben.

Die Kontakte zwischen der – nicht militanten – Wahhabiten-Bewegung Österreichs und Bosniens sind traditionell sehr eng. In beiden Ländern können die Anhänger mit finanzieller Unterstützung aus Saudiarabien rechnen.

Saudiarabiens Hilfe für islamistische Gruppen in Bosnien reicht bis in den Krieg 1992 bis 1995 zurück. Und auch schon damals sollen Gelder über Österreich geflossen sein, nämlich über die „Third World Relief Agency“ (TWRA) in Wien. Ein Sudanese soll damals finanzielle Hilfe aus Ländern wie Saudiarabien an islamistische Kämpfer in Bosnien weitergeleitet haben. Er wurde 1994 aus Österreich ausgewiesen, die TWRA existiert heute in Wien nicht mehr.

Etwa 1000 Mudschaheddin, Freiwillige aus arabischen Staaten, hatten während des Krieges in Bosnien gekämpft. Die Bosniaken, die Muslime Bosniens, nahmen diese Hilfe gerne an. Denn sie waren zunächst an allen Fronten auf dem Rückzug und Massakern und Massenvertreibungen durch serbische Kräfte ausgesetzt.

Nach dem Krieg begann dieses Zweckbündnis zu zerfallen. Der Großteil der Freiwilligen musste das Land wieder verlassen – nur die, die bosnische Frauen geheiratet hatten, durften bleiben und begannen mit saudischer Hilfe zu missionieren.

Kulturkampf unter Muslimen

Das immer massivere Auftreten der extremistischen Minderheit führte vor Jahren schließlich zu einem Kulturkampf unter Bosniens Muslimen. Der überwiegende Teil von ihnen pflegt traditionell eine gemäßigte Variante des Islam. Dementsprechend groß war die Empörung, als der Hardliner „Abu Hamza“ ihnen absprach, „richtige Muslime“ zu sein – weil sie Alkohol trinken, die meisten Frauen weder Kopftuch noch Schleier tragen und auch sonst alles tun, was im Gegensatz zu wahhabitischen Moralvorstellungen steht. Abu Hamza beschimpfte sogar das religiöse Oberhaupt der bosnischen Muslime, Mustafa Cerić, als „Ungläubigen“. Cerić schoss zurück und warnte davor, dass „Scharfmacher“ aus westlichen Ländern, einen radikalen Islam nach Bosnien tragen wollten – unter anderem Scharfmacher aus Österreich.

Zuletzt soll es auch Zugriffe auf Köpfe der extremistischen Wahhabiten-Szene in der bosnischen Hauptstadt selbst gegeben haben; auch ein österreichischer Neo-Staatsbürger soll zumindest einvernommen worden sein, heißt es.

Aufgrund der Razzia und Bosniens neuem harten Kurs hat sich die Szene laut Beobachtern nun verlagert: ins schwer zugängliche Berggebiet im Süden Serbiens, dem Sandschak. In dem Grenzgebiet zwischen Serbien und Montenegro leben viele Muslime.

AUF EINEN BLICK

Bosniens Behörden haben eine Offensive gegen islamistische Gruppen gestartet. In den vergangenen Wochen gingen sie gegen mehrere Personen in Sarajewo vor. Bereits im Februar hatten 600 Polizisten das Dorf Gornja Maoca besetzt. Eine wahhabitische Sekte hatte dort versucht, einen islamistischen Ministaat aufzubauen – offenbar auch mit Geldern aus Österreich.

Mustafa Cerić,Oberhaupt der bosnischen Muslime, klagte schon vor Jahren über Missionierungsversuche durch islamistische „Scharfmacher“ aus dem Westen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2010)

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