Sport - so geht es den Verlierern

Netflix
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Kennen Sie Pat Ryan? Surya Bonali? Oder Torquai United? Nein? Kein Wunder, sie sind ja auch gescheitert. Mickey Duzyj hat sich für Netflix ihre Geschichten angehört – und gezeichnet.

Es gibt da einen kleinen Fußballclub im Süden Englands, der 1986 in einem denkbar schlechten Zustand war. Ein Teil des Stadions war abgebrannt und es fehlte das Geld, es zu reparieren. Die Mannschaft fuhr in einem ausrangierten Ambulanzwagen zu Auswärtsspielen. Und sie dümpelte schon geraume Zeit auf den hinteren Plätzen der fünften Liga herum. „Man gewöhnt sich daran, zu gewinnen. Aber man gewöhnt sich auch ans Verlieren“, sagt einer der damaligen Spieler. Doch nun wurde es ernst: Würden sie noch einmal auf dem letzten Platz landen, drohte das endgültige Aus. Man würde absteigen – und nur mehr als Amateure weitermachen können. Eine Katastrophe für die Spieler, für die Fans, für die ganze Stadt.

Nein, kaum ein Mensch außerhalb Englands hat schon von „Torquai United“ gehört – und genau deshalb hat ihnen Mickey Duzyi eine Folge in seiner Doku-Serie „Losers“ gewidmet. Er hat sich für Netflix die Geschichten jener angehört, die keiner mehr kennt oder niemals kannte. Weil sie Hundeschlitten fahren statt Formel Eins, es nie aufs Stockerl schafften oder Amateure sind. Wie Mauro Prospertini, der bei einem Marathon durch die Wüste knapp dem Tod entrann. Das war das erste und einzige Mal, dass sein Name in den Nachrichten fiel.

Beiß dich durch

Wir lesen, hören und sehen ja meistens nur die Erfolgsgeschichten – und wir glauben ihrer Botschaft allzu gerne: Verfolge konsequent deinen Weg, dann wirst du triumphieren. Wenn du scheiterst, steh auf und mach weiter. Sei mutig. Beiß dich durch. Gib nicht auf, und alles wird gut. Aber das stimmt natürlich nicht. Für jeden, der seinen Traum verwirklicht hat, gibt es viele, die gescheitert sind. Und auch wenn der deutsche Titel der Serie „Die Stärke des Verlierens“ suggeriert, dass man als Phönix gestärkt aus der Asche steigen wird: Man sieht, dass das nicht immer funktioniert. Mauro Prospertini etwa trat nach seinen traumatischen Erfahrungen noch mehrmals beim Wüsten-Marathon an. Sein Ziel, es unter die ersten zehn zu schaffen, erreichte er nie.

Die schwarze Eisprinzessin

Mickey Duzyi hat für die Dokumentar-Serie mit Sportlern, ihren Freunden, Kollegen und Familienangehörigen gesprochen, diese Aufnahmen durch Archivmaterial ergänzt (so es überhaupt welches gab). Den Rest hat er gezeichnet, sehr reduziert, mit viel Empathie: Man sieht die schwarze Eiskunstläuferin Surya Bonali so über den Bildschirm wirbeln, dass sich ihre Konturen auflösen. Weil sie nicht dem Idealbild der Eisprinzessin entsprach, zog sie gegenüber ihren eleganteren und weißen Konkurrentinnen stets den Kürzeren. Man sieht Al Hackner, der mit seinem Curling-Stein durchs All gleitet, vorbei an den Planeten. Wie schön! Vorher musste man noch schmunzeln über das Pathos, mit dem er vom Curling sprach. Ist das nicht ein etwas lächerlicher Sport? Aber jetzt meint man zu verstehen. Und man sieht die Spieler von Torquai United, die zum Stadion trotten. So anstrengend war die Reise mit dem viel zu kleinen Bus, dass sie schon vor dem Match erschöpft sind.

Umso mehr gönnt man ihnen, dass sie es schafften. Mit viel Glück und der Hilfe eines Polizeihundes, aber egal: Die Menschen jubelten und veranstalteten eine Polonaise durch die Straßen, die Mannschaft versoff ihre Gage und einer der Spieler kam drei Tage nicht nach Hause. 1986 war übrigens nicht das letzte Jahr, in dem ihnen der Abstieg drohte. Große Siege konnten sie sich auch später nicht auf ihre Fahnen heften. Aber es gibt sie, zeigt ein Blick ins Internet, immer noch. Vielleicht ist das ja genug.

„Losers– Die Stärke des Verlierens“, von Mickey Duzyi, acht Folgen à 40 Minuten, derzeit auf Netflix.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2019)

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