Der Österreichischen Post gelingt ein Coup: Sie sichert sich nach dem Rückzug der Deutschen einen Großteil des Österreich-Geschäfts von DHL. Wenn die Kartellwächter zustimmen.
Wien. Der Einstieg des amerikanischen Internethändlers Amazon ins österreichische Paketgeschäft fordert sein erstes Opfer: Die deutsche DHL zieht sich nach vier Jahren auf dem Markt aus Österreich zurück. Größter Nutznießer ist die teilstaatliche Post. Sie verliert nicht nur ihren schärfsten Konkurrent, sie „erbt“ im Rahmen einer Kooperation auch einen Großteil des Privatkundengeschäfts der Deutschen. Zudem übernimmt die Österreichische Post 220 Mitarbeiter und etliche Paketzentren der DHL. Über den Preis wurde Stillschweigen vereinbart.
Nach dem Datenskandal und der Zitterpartie rund um die Suche nach einem neuen Finanzpartner gelingt Post-Chef Georg Pölzl damit ein echter Coup. Mit den Paketmengen von DHL will er sein Ziel, das boomende Geschäft von heute 108 auf 150 Millionen Pakete auszubauen, vor dem bisher angepeilten Jahr 2022 erreichen.
Der Rückzug der Pakettochter der Deutschen Post kommt durchaus überraschend. DHL kam vor vier Jahren mit großen Ambitionen nach Österreich, investierte viel, konnte binnen kürzester Zeit ein Viertel des Marktes erobern und schwarze Zahlen schreiben.
Amazon seit Herbst im Land
Doch seit dem Gewinneinbruch im Sommer wird der deutsche Konzern radikal umgebaut, Tochterfirmen werden fusioniert und Kosten gesenkt. Letztlich dürften die Margen auf dem kleinen Markt zu niedrig, Aufwand und Konkurrenz hingegen zu hoch gewesen sein, um Österreich zu halten.
Mitentscheidend war dabei wohl auch die Entscheidung von Amazon, künftig selbst Pakete in Österreich zustellen zu wollen. Seit vergangenem Herbst beliefert Amazon seine Onlinekunden im Großraum Wien teilweise direkt über eigene Vertriebspartner. Im Februar eröffnete der US-Multi ein Verteilzentrum in Österreich.
Das bekommt nicht nur die Post als Marktführer zu spüren. Nach Einschätzung des Erste-Group-Analysten Christoph Schultes wird Amazon auch DHL drei Millionen Pakete abnehmen. Damit sei es für das Unternehmen „schwierig, wenn nicht sogar unmöglich“, profitabel zu sein.
Also entschied sich die Zentrale in Bonn für den geordneten Rückzug. Wobei DHL nicht alle Zelte in Österreich abbricht: DHL Express wird weiterhin für Unternehmenskunden tätig sein. Auch das Auslandsgeschäft behält DHL.
Auf dem Tisch sind damit rund 27,6 Millionen Pakete im Jahr, die DHL in Österreich zustellt. Davon geht eine vertraglich zugesicherte Mindestmenge, aber nicht alles, an die Österreichische Post. Die Anleger reagierten jedenfalls erfreut. Die Aktie der Post legte zwischenzeitlich um über fünf Prozent zu.
Wettbewerbshüter in Sorge
Ein Fragezeichen steht allerdings noch über dem Deal: Die Bundeswettbewerbsbehörde hat bereits angekündigt, das Geschäft „genau ansehen“ zu wollen. Immerhin kämen Post und DHL theoretisch auf knapp 70 Prozent Marktanteil.
Die größten verbliebenen Konkurrenten sind Hermes (zwölf Prozent) und DPD (zehn Prozent). Die große Unbekannte bleibt Amazon. Bisher kommen die Amerikaner hochgerechnet aufs Jahr auf zwei Prozent Marktanteil. Die Branche – vor allem die Post – rechnet jedoch damit, dass der Anteil steigen wird.
Bewegung deutete Post-Chef Pölzl auch bei der Suche nach einem Bankpartner als Ersatz für die Bawag an. „Es tut sich sehr viel“, sagte er. Die Zeit drängt jedenfalls. Will die Post wie geplant ab Anfang 2020 Finanzdienstleistungen anbieten, sollte die Partnerschaft bis Sommer stehen.
AUF EINEN BLICK
Der Boom des Internethandels treibt auch das Geschäft der Paketzusteller. Marktführer in Österreich ist die teilstaatliche Post. Im Vorjahr lieferte sie 108 Millionen Pakete an die Österreicher aus. Ein Plus von 11,5 Prozent.
Ab dem kommenden Jahr sollen diese Zahlen noch deutlicher steigen. Denn der größte Konkurrent, die deutsche DHL, zieht sich vom heimischen Markt zurück. Einen Großteil der 27,6 Millionen Pakete, die DHL bisher in Österreich zustellte, wird in Hinkunft die Post ausliefern.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2019)