Francesco Lo Voi, Oberstaatsanwalt von Palermo, ist einer der wichtigsten Mafiajäger Italiens. Ein Gespräch über Cosa Nostra und Politik, geschwächte Paten, die internationale Expansion der Mafia und lukrative Glücksspiele.
Die Presse: Festnahmen von Mafiosi häufen sich in Sizilien: Wie stark ist die sizilianische Mafia, die Cosa Nostra, heute noch?
Francesco Lo Voi: Sie ist nicht mehr so mächtig wie früher, sie hatte heftige Schläge zu erleiden. Trotzdem ist die Mafia weiterhin aktiv und vital. Denn die Cosa Nostra hat eine lange Tradition und eine feste Struktur. Sie ist organisiert wie ein Staat: mit eigenem Volk – die „Ehrenmänner“ –, eigenem Territorium – vorwiegend Sizilien – und eigenen Gesetzen.
Gerade erst wurde in der sizilianischen Stadt Trapani ein Lokalpolitiker festgenommen, dem Mafia-Verbindungen vorgeworfen werden. Wie groß ist der Einfluss der Cosa Nostra auf die Politik?
Früher, da waren die Verbindungen eng, auch auf nationaler Ebene. Das hat sich geändert. Grund sind die schärfere Verfolgung und die höhere Schlagkraft des Staates. Vor allem aber ist weniger Geld im Umlauf: Die teuren staatlichen Großprojekte von einst gibt es nicht mehr, es fehlen die Mittel. Für die Cosa Nostra lohnt es sich eher, die Lokalpolitik zu „infiltrieren“, in Stadt- und Regionalverwaltungen „Kontakte“ zu pflegen – um so das Territorium zu kontrollieren.