US-Strafzölle treffen eigene Wirtschaft und Konsumenten

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Einer Studie von Boston Consulting zufolge leiden vor allem die US-Stahlverarbeiter, die aufgrund höherer Stahlpreise Gewinne einbüßen und bei denen dadurch auch viele Jobs verloren gehen.

Seit rund einem Jahr kassieren die USA Strafzölle von 25 Prozent auf Stahlimporte, das trifft vor allem China. Präsident Donald Trump führte die Sonderabgabe unter Berufung auf "Section 232" (Abschnitt 232, Anm.) des Trade Expansion Act aus dem Jahr 1962 - Gefährdung der nationalen Sicherheit - ein. Damit schadet er aber zum Teil der eigenen Wirtschaft, behaupten Experten der Boston Consulting Group (BCG).

Während die US-Stahlhersteller profitieren, leidet dem Unternehmensberater BCG zufolge die dortige metallverarbeitende Industrie, in der zehn- bis zwanzigmal mehr Mitarbeiter beschäftigt seien als in der Stahlindustrie: Höhere Stahlpreise drückten bei den Verarbeitern die Gewinne, schwächten die Konkurrenzfähigkeit und kosteten Jobs. Demgegenüber habe sich die Kapazitätsausnutzung der Stahlerzeuger des Landes im Jahr 2018 von 75 auf 81 Prozent verbessert und damit das Ziel der US-Regierung sogar um einen Prozentpunkt übererfüllt, heißt es in einer aktuellen Studie.

30 Prozent Kursverlust

Negativ bewertet werden die protektionistischen Maßnahmen laut BCG auch vonseiten vieler Investoren, da diesen der Glaube an die Nachhaltigkeit der Zölle, die seit 1. Juni 2018 auch für Stahlimporte aus der EU gelten, fehle. Die Aktienkurse der amerikanischen Stahlriesen seien 2018 im Vergleich zum US-Börsenleitindex Dow Jones Industrial um mehr als 30 Prozent eingebrochen.

"Section 232" schütze die US-Stahlproduzenten zwar kurzfristig, führe aber generell dazu, dass die stahlabhängige Industrie auf lange Sicht Schaden nehme und weniger wettbewerbsfähig werde, betont Michael McAdoo, Associate Director und Handelsexperte bei BCG. "Auch der Endverbraucher ist von höheren Stahlpreisen direkt betroffen, denn Autos oder Metallwaren werden bei langfristiger Zollerhebung merklich teurer."

Damit ursprünglich für die USA gedachte Stahllieferungen nicht den europäischen Markt fluten, führte in weiterer Folge auch die EU eigene Schutzzölle auf weltweite Stahlimporte ein. Für 26 Kategorien von Stahlprodukten gilt nun ein Sonderzoll von 25 Prozent, wenn historische Importmengen überschritten werden. Zusätzlich verhängte die EU Strafzölle auf US-Vorzeigeprodukte wie Motorräder und Whiskey.

Europa wehrt sich

Die Maßnahme der EU, höhere Zölle auf Stahl zu verlangen, sei "das Mindestmaß, um eine Überschwemmung des europäischen Marktes zu verhindern", betonte der Konzernchef des österreichischen Stahlriesen Voestalpine, Wolfgang Eder, vor wenigen Tagen. China, Indien und Brasilien suchten nach Ersatzmärkten. "Würde Europa nichts machen, wäre Europa globaler Drittmarkt, wo sich alle treffen würden." Man versuche, den "Spagat zwischen wirtschaftlicher Notwendigkeit und handelstechnischer Sinnhaftigkeit" zu schaffen, so Eder.

In den vergangenen Monaten ist ein weltweiter Handelsstreit mit zusätzlichen Zöllen und Gegenzöllen entbrannt. "Die zunehmende Eskalation führt zu erhöhter Volatilität und Unsicherheit in globalen Lieferketten", heißt es in der BCG-Studie. Eine langfristige Planung sei in der Branche kaum noch möglich. Um schnell und flexibel reagieren zu können, "sollten Unternehmen Ressourcen aufbauen, um potenzielle Handelskonflikte und deren Auswirkungen auf Lieferketten frühzeitig zu erkennen", rät Nicole Voigt, Leiterin der Beratung im europäischen Stahlsektor bei BCG. Sie sollten ihr Risikoprofil prüfen, um gegensteuern zu können.

Vor allem deutsche Firmen könnten Probleme bekommen, falls die US-Regierung ihre Strafzölle nach "Section 232" auf die Autobranche ausweitete, heißt es in der Studie.

Derzeit erheben die USA einen Zoll von 2,5 Prozent auf Pkw und 25 Prozent auf Pick-ups aus der EU. Die EU wiederum verlangt zehn Prozent Zoll auf US-Autos. Trump droht aber seit Monaten mit Strafzöllen von bis zu 25 Prozent auf europäische Autos - das wäre ein schwerer Schlag für die deutsche Autoindustrie. Über den Umweg Deutschland könnte das indirekt auch die österreichische Kfz-Zulieferindustrie treffen, die eng mit den deutschen Autoherstellern verflochten ist.

Weltweit wurden 2017 laut dem Weltstahlverband World Steel Association rund 1,69 Mrd. Tonnen Rohstahl erzeugt, etwa die Hälfte davon allein in China (rund 830 Mio. Tonnen). Knapp ein Drittel der globalen Produktion ist laut BCG für den Export bestimmt. Von Handelskonflikten betroffene Unternehmen sollten ihre Strategie darauf ausrichten, dass Konflikte in einem äußerst volatilen Umfeld "kein kurzfristiges Phänomen" blieben, so die BCG in der Studie "Making Sense of Steel's Turbulent Trade Climate".  "Die Situation USA - China wird sich tendenziell noch verschärfen denn abschwächen", erwartet auch Voestalpine-Chef Eder.

(apa)

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