Der Hundeblick

Carolina Frank
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Andere Menschen fragt man in so einer Situation: "Was schaust denn so?"

Der Hund steht winselnd vor der Terrassentür und will hinein. Ich bin drinnen, stelle mich taub, wir haben nämlich einen Krach. Sie wollen gar nicht wissen, warum (es geht um ein Hygienethema ja, genau), er soll jetzt jedenfalls einmal länger dort draußen bleiben. Der Hund tut, was Hunde in solchen Situationen immer tun: Er sitzt und schaut mich an. So, dass es dafür sogar ein eigenes Vokabel gibt, das praktisch nur im Hundekontext verwendet wird: treuherzig.

Im Moment meint er es aber vor allem sehr vorwurfsvoll, das spüre ich ganz genau, während ich trotzdem versuche, hart zu bleiben. Dabei weiß ich nach einigen Monaten mit dem Tier inzwischen längst, die Sache mit dem Hundeblick und seiner Bedeutung ist nur ein Mythos: Er schaut immer gleich, egal wie die Situation ist. Nur der Mensch macht daraus, wonach ihm gerade ist. War es lustig, schaut er sicher fröhlich, war man zu lange einkaufen, schaut er irgendwie traurig, oder gab es eben Krach, dann halt beleidigt. Aber alles ein und derselbe Blick. Andere Menschen fragt man in so einer Situation: "Was schaust denn so?"

Die Antwort auf diese Frage führt übrigens nicht selten zu Streit. Da ich den Hund nicht fragen kann, wurschtle ich in der Küche herum, der Hund hat inzwischen angefangen zu bellen. In der Hundeschule (wir waren nur fünf Mal dort, vielleicht erklärt das ja die Situation) schwören sie auf das Ignorieren als Erziehungsmittel. Mein Hund weiß davon offenbar nichts, er bellt noch lauter und wirft sich dabei mit Anlauf gegen die Tür. Nach weiteren drei Minuten, die Nachbarn rufen sicher schon Polizei und Tierheim, lasse ich ihn dann herein. Er springt wedelnd auf mich zu. Jetzt, nachdem wir uns wieder versöhnt haben, schaut er so erleichtert. Ehrlich.

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