Im Keim erstickt

Im Kampf gegen Terror und Hassprediger beschädigt der Rechtsstaat sich nun auch in Österreich selbst.

Keine Frage, dass der Staat Terroristen zu bekämpfen hat. Darum macht es sich auch immer gut, den Wählern zu zeigen, dass man als Regierungspartei keine, aber auch wirklich gar keine Kompromisse gegenüber Terroristen oder Radikalisierern zu machen bereit ist. Nicht nur der Terroranschlag, sondern auch die Vorbereitungshandlung wird „nun im Keim erstickt“, wie es der stellvertretende ÖVP-Klubchef Werner Amon ausdrückt.

Denn der Ministerrat hat gestern beschlossen, den Besuch von Terrorcamps unter Strafe zu stellen. Ob das wirklich schon alles im Keim ersticken wird, bleibt abzuwarten. Zu bestrafen ist nämlich nur jemand, der so ein Camp besucht, „um eine terroristische Straftat zu begehen“. Wer die paar Monate nur deswegen im Hindukusch verbracht hat, um mal zu sehen, wie es dort so abläuft, für den müsste „im Zweifel für den Angeklagten“ gelten.

Aber sei's drum. Problematisch wird die Verschärfung der Terrorparagrafen durch zwei andere Punkte. Der erste ist, dass erstmals das „Gutheißen terroristischer Straftaten“ selbst als terroristische Straftat deklariert und damit schwerer bestraft wird. Erklärtermaßen sollen mit dieser Bestimmung „Hassprediger“ getroffen werden. Aber „terroristische Straftaten“ sind laut Gesetz nur solche, die das öffentliche oder das wirtschaftliche Leben schwer stören können, die die Bevölkerung „auf schwerwiegende Weise“ einschüchtern oder Regierungen zu irgendetwas zwingen sollen oder die Grundstrukturen des Staates ernsthaft erschüttern. Solch wuchtige Wirkung wird man der Predigt irgendeines Imam in Meidling aber kaum nachweisen können.

Das heißt: Entweder ist diese Aufnahme des „Gutheißens“ als elfter Punkt in die Liste terroristischer Straftaten von vornherein nicht ernst gemeint, sondern nur, wie es auch in den „Erläuterungen“ des Justizministeriums heißt, „ein Zeichen gegen das Phänomen einer Radikalisierung mit terroristischen Zielen“. Oder es ist geplant, dass man bei den Qualifikationen bei Bedarf bereit ist, ein bisschen die Augen zuzudrücken, um zu einem härteren Urteil gegen Hassprediger kommen zu können. Wer immer diese Hassprediger auch sein mögen in einer Rechtskultur, in der auch schon für militante Tierschützer und radikale Scheidungsväter der Terroristenverdacht gilt.

(Dass, wenn Gutheißen schon eine terroristische Straftat ist, auch das Gutheißen des Gutheißens eine terroristische Straftat ist, können wir hier nur streifen – ein Gesetz, das sich selber gegen seine Kritiker immun macht, eine interessante Sache.)

Der zweite Problempunkt wiegt schwerer: Der sogenannte Verhetzungsparagraf wird ausgeweitet – einerseits, indem der bisherige Schutz ausgedehnt wird von Religionen und Volksgruppen auf eine bunt zusammengewürfelte Kriterienliste geschützter Gruppen, von der Hautfarbe über Behinderung und Alter bis zur sexuellen Orientierung. Und anderseits, indem künftig nicht nur bestraft wird, wer gegen eine Gruppe hetzt, sondern auch gegen einen Einzelnen wegen dessen Gruppenzugehörigkeit.

Diese Ausweitung mag dort, wo es um Gewaltaufruf geht, angebracht sein. Aber das Gesetz ahndet auch (mit derselben Strafandrohung) bloße Hetze („ein Aufruf zu Hass und Verachtung“) sowie Beschimpfung und Verächtlichmachung. Kann heißen: bis zu zwei Jahre Haft für jemanden, der über die Verdorbenheit der heutigen Jugend schimpft, ankündigt, dass Gery Keszler in der Hölle schmoren wird, oder einen Blondinenwitz erzählt. Immerhin wird man dann immer noch früher entlassen als der Zellengenosse, der gut gefunden hat, dass endlich jemand was gegen die Tierfabriken tut und sei es mit Gewalt.


Egal, wie sympathisch wir all diese Meinungsäußerungen finden: Man mag sie gesellschaftlich ächten, am Mittagstisch verbieten und in der Redaktion zum Kündigungsgrund machen – aber gleich Gefängnisstrafe? Das entspricht zwar dem populären Trend zum Ruf nach dem Staatsanwalt und zur Ausweitung der Staatsmacht. Und es ist ja nur ein kleiner Schritt, kein großer Sprung ins Totalitäre.

Aber genau deswegen ist es gefährlich: Weil der Verlust der Freiheit immer nur schrittweise passiert, immer einen guten Grund hat, immer als Abwehr gegen einen bösen Feind daherkommt. Daher muss der Protest jetzt schon einsetzen. Wer erst aufstehen möchte, wenn der letzte Schritt gesetzt und die Endstation der Einschränkung der Freiheiten erreicht ist, wird feststellen, dass er das dann gar nicht mehr darf. Vielleicht war es ja ein warnendes Räuspern des Schicksals, dass der gestrige Beschluss ausgerechnet am 20. April gefallen ist, der einer solchen Endstation als Feiertag galt.


michael.prueller@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2010)

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