Vom Bummeln auf dem Nebengleis

Teils hochliterarisch, teils lässig umgangssprachlich. Jaroslav Rudiš' Roman „Winterbergs letzte Reise“ ist ein komödiantisches „Railmovie“ – und noch viel mehr als das. Die jüngeren historischen Katastrophen Mitteleuropas, gefasst in die Begegnung zweier Männer.

Im Böhmerwald, nicht weit von der deutschen Grenze entfernt, liegt die tschechische Stadt Vimperk. 1986 ist Jan Kraus von dort auf abenteuerliche Weise nach Deutschland geflüchtet. Heute lebt der Tscheche, weitgehend assimiliert, in Berlin und verdient sein Brot als Altenpfleger. Der Roman „Winterbergs letzte Reise“, in dem Kraus seinen Auftritt hat, nimmt es jedoch mit allen Einzelheiten sehr genau, weshalb sogleich eine Präzisierung vonnöten ist: Jan Kraus ist kein normaler Pfleger, sondern ein Sterbebegleiter, der todkranken Menschen bei ihrer „Überfahrt“ (wie er es nennt) beisteht. Dass ihm diese Arbeit sehr ans Herz geht, will er nicht wahrhaben, lieber ertränkt er seine Traurigkeit auf altböhmische Weise in großen Mengen Bier.

Dieser menschenfreundliche Melancholiker ist die eine Hauptperson des neuen Romans von Jaroslav Rudiš. Die zweite ist ein uralter Patient, Wenzel Winterberg, der nach mehreren Schlaganfällen bewusstlos im Bett liegt. Nach einigen Sprach- und Mobilisierungsübungen entfaltet der fast schon Totgesagte jedoch eine springlebendige Energie. Er stiftet seinen Pfleger zu einer langen Reise an, die in Berlin ihren Anfang nimmt und weite Gebiete des einstigen k. u. k. Österreichs durchquert.

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