Das Farbenspiel der Nervenzellen

Wie sich die inneren und äußeren Einflüsse auf die Bildung von Nervenzellen auswirken, untersucht Nicole Amberg unter dem Mikroskop.
Wie sich die inneren und äußeren Einflüsse auf die Bildung von Nervenzellen auswirken, untersucht Nicole Amberg unter dem Mikroskop.(c) Florens Kosicek
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Mit einem genetischen Trick, der Neuronen in unterschiedlichen Farben aufleuchten lässt, untersucht die Molekularbiologin Nicole Amberg die Entwicklung der Großhirnrinde.

Denken, erinnern, zielgerichtet handeln oder fühlen – sämtliche Aspekte des Menschseins spielen sich in der Großhirnrinde ab. In diesem Teil des Hirns mit seinen sprichwörtlichen grauen Zellen kommen alle Sinneseindrücke zusammen, werden verarbeitet und bewertet, hier sitzen Vernunft und Persönlichkeit. Bei keinem anderen Säugetier macht die Großhirnrinde einen größeren Teil des zentralen Nervensystems aus als beim Menschen. Umso wichtiger sei daher seine richtige Entwicklung, sagt die Molekularbiologin Nicole Amberg vom Institute for Science and Technology (IST) Austria: „Ich versuche herauszufinden, wie sich die Großhirnrinde während der Embryonalentwicklung bildet und welche Prozesse notwendig sind, damit sie richtig funktioniert.“

Rot oder grün leuchtende Gendefekte

Dabei interessiert sie vor allem der Einfluss der Epigenetik – also nicht im DNA-Code enthaltener, zusätzlicher Informationen des Erbguts – auf bestimmte Stammzellen des Gehirns. Aus diesen sogenannten radialen gliaartigen Vorläuferzellen wächst ein Großteil der Neuronen der Hirnrinde heran – entsprechend weit reichen die Folgen von Defekten während ihrer Entwicklung. „Läuft dabei etwas schief, kann das zu verschiedenen Krankheiten wie Autismus oder auch Tumoren führen. Deshalb ist es sehr wichtig, zu verstehen, was mit den Stammzellen passiert, damit ein funktionierendes Gehirn entsteht“, so Amberg.

Doch um die tausendfach verästelten Nervenzellen während ihrer Reifung zu untersuchen, muss man sie einzeln betrachten, selbst mit leistungsfähigsten Mikroskopen ist das ein äußerst schwieriges Unterfangen. Die Wissenschaftlerin nutzt daher ein neues Verfahren, bei dem durch einen genetischen Eingriff nur wenige Zellen in der Hirnrinde von Labormäusen rot oder grün fluoreszieren, wenn man sie unter dem Mikroskop beleuchtet. „Damit gelingen extrem hochauflösende Bilder“, erklärt die Forscherin. „Aber man kann zu der Farbe auch eine Mutation hinzufügen und dadurch den Einfluss der gesunden Zellen rundherum untersuchen.“ Hier liegt die Stärke der Methode: Die fluoreszierenden Moleküle können an beliebige genetische Defekte gekoppelt werden – in Ambergs Arbeit geht es dabei vor allem um Gene, die sich auf die Epigenetik der Zelle auswirken. Es seien aber auch verschiedene andere Settings möglich, fügt die Forscherin hinzu: „Wir färben auch gesunde Zellen, oder gesunde und mutante Zellen in unterschiedlichen Farben. So können wir sehr genau untersuchen, wie sich die Gendefekte und die Umgebung der Zelle auf die Entwicklung des Gehirns auswirken.“

Die Begeisterung für ihr Forschungsgebiet ist der 34-Jährigen deutlich anzumerken, wenn sie von den Experimenten spricht. Damit habe sie sich bereits in der Schulzeit angesteckt, erinnert sich Amberg. „Schon in der Oberstufe fand ich DNA toll. Dass so eine winzig kleine Struktur wie der Zellkern so unglaublich viel genetische Informationen enthält und jeder Zelltyp am Ende in einem erwachsenen Körper genau die Gene aktiviert, die er braucht, das hat mich fasziniert.“ Die in Deutschland aufgewachsene Wissenschaftlerin schrieb sich also für die Studiengänge Molekularbiologie und Zoologie an der Uni Wien ein, da sie die Stadt über einheimische Freunde ihrer Eltern schon in früher Kindheit kennen und lieben gelernt hatte. Und nicht zuletzt wegen der Sachertorte, fügt sie lachend hinzu.

Entspannen beim Reiten und Fechten

An der Med-Uni Wien absolvierte sie anschließend ihr Doktorat, für den Postdoc wechselte sie in die Gruppe von Simon Hippenmeyer am IST Austria. Mit ihrem Projekt konnte sie sich im Wettbewerb um eine Hertha-Firnberg-Förderung des Wissenschaftsfonds FWF für hervorragende Wissenschaftlerinnen durchsetzen.

Abseits vom Forschungsalltag findet Amberg Erholung und Entspannung beim Fechten oder Reiten. Letzteres betrieb sie als Teenager noch auf Wettkampfniveau, inzwischen fehle ihr dafür jedoch der Ehrgeiz. „Aber es ist schön, einfach einmal in den Wald zu reiten und abzuschalten.“

ZUR PERSON

Nicole Amberg (34) hat an der Uni Wien Molekularbiologie und Zoologie studiert. Sie promovierte 2016 an der Med-Uni Wien mit Schwerpunkt Immunologie und Stammzellen der Haut. Sie ist seit 2016 Postdoc am Institute of Science and Technology (IST) Austria und erhielt 2018 eine Hertha-Firnberg-Stelle des FWF, um die Rolle des Proteins EED in Stammzellen des Gehirns zu untersuchen.

Alle Beiträge unter: diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2019)

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