Aschewolke: Keine Staatshilfe für Fluglinien

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Der Ruf von Fluglinien und Flughäfen nach staatlicher Unterstützung wird immer lauter. Die EU könnte solche Maßnahmen auch gewähren – noch gibt es aber keine Ansuchen.

Brüssel/Wien. Der Flugverkehr normalisiert sich in Europa langsam – am Dienstag wurde etwa die Hälfte der 28.000 an einem Durchschnittstag stattfindenden Flüge abgewickelt. Sogar die Wiener Sängerknaben, die der isländische Vulkan wie tausende andere Reisende zwischen Hammerfest und Sizilien stranden ließ, kamen nach einer zweitägigen Busfahrt aus Spanien nach Wien zurück.

Auch wenn sich die Situation weiter entspannt, weil sich laut isländischen Wissenschaftlern die Vulkaneruptionen nicht intensivieren: Die Diskussion um Schäden für die Wirtschaft und die Fluglinien und mögliche Staatsbeihilfen geht erst richtig los.

Bisher hat die EU-Kommission kein Ansuchen auf staatliche Unterstützung von einem EU-Land erhalten. Allerdings fordern der Flughafenverband (ACI) und der Airlineverband (AEA) in einer Resolution eine „angemessene Antwort auf europäischer Ebene“. Zumindest für die Ausgaben für Verpflegung und Übernachtung der Passagiere müsse es Ersatz geben. Laut ACI haben die Flughäfen in den vergangenen fünf Tagen 200 Millionen Euro verloren.

Aufforderung zur Selbsthilfe

Die Regierungen selbst zeigen sich – noch – sehr zurückhaltend. Der deutsche Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) erklärte, die Fluglinien müssten sich zuerst selbst helfen und mit der Situation fertig werden. Laut „Welt“ haben führende deutsche Fluglinien und Reisekonzerne schon am Montag inoffiziell um Staatshilfe angefragt. Offiziell hat bisher nur „Air Berlin“, Hälfteeigentümer von Niki Laudas Billiglinie „Niki“, signalisiert, dass sie die Bitte um Staatshilfe nicht ausschließe.

Ein klares Nein kam von Österreichs Regierungsspitze: Bundeskanzler Werner Faymann (SP) und Vizekanzler Josef Pröll (VP) betonten nach dem Ministerrat, sie sähen keinen Anlass für eine Diskussion über staatliche Zuschüsse. Die Wirtschaftskammer nennt den Schaden „überschaubar“: Das Bruttoinlandsprodukt werde um 50 Millionen Euro geringer ausfallen.

Auch die für die Luftfahrt zuständige Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) lehnt Beihilfen ab: „Wenn sich die Situation nicht noch einmal verschlechtert, sehe ich überhaupt keinen Grund dafür“, sagt sie im Gespräch mit der „Presse“. Allerdings gibt es keine Komplettentwarnung. „Wenn die Aschekonzentration in der Luft ein gewisses Maß übersteigt, gibt es nur eine Reaktion: Der Luftraum wird wieder geschlossen.“

Die Kritik der Fluglinien, dass die Flugsperren voreilig und übertrieben gewesen seien, kann Bures nicht nachvollziehen. „Beim Flugverkehr kann es gar keine übertriebene Vorsicht geben. Außerdem hat es genügend Daten über das Gefahrenpotenzial gegeben. Diese unter den Tisch zu kehren, wäre undenkbar gewesen.“ Bures erwartet daher auch nicht, dass es zu Schadenersatzklagen der Fluglinien kommen werde.

„Auch für uns ist jetzt vorrangig, den Flugplan in Gang zu bringen“, sagt AUA-Sprecher Martin Hehemann zur „Presse“. In ein paar Tagen werde Kassasturz gemacht. Eine Entscheidung über ein Ansuchen um finanzielle Hilfe könne es erst dann geben. Von Niki Lauda kommt ein klares „Nein“ zu einem Ansuchen auf Staatshilfe.

Die EU muss ihre Beihilferegeln nicht ändern (sie könnte das auch nicht). Vielmehr können die EU-Staaten den Fluglinien Beihilfen zwecks Deckung der Schäden, die infolge von „Naturkatastrophen oder sonstigen außergewöhnlichen Ereignissen“ entstanden sind, gewähren. Die EU muss das genehmigen. „Die Beihilfen dürfen nicht diskriminierend sein, nur die exakten Kosten der Flugausfälle decken und keine versteckte Restrukturierungshilfe“ für angeschlagene Airlines sein, sagte Amelia Torres, Sprecherin von Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia.

Präzedenzfall 9/11

Es gibt einen Präzedenzfall: Zwei Wochen nach den Anschlägen vom 11.September 2001 kündigten alle Versicherungskonzerne jene Haftpflichtverträge für Flugzeuge, aufgrund derer Schäden durch Dritte im Zuge kriegerischer oder terroristischer Handlungen, die im Wert 50 Millionen Dollar überstiegen, gedeckt waren. Die EU-Finanzminister fanden eine Lösung: Sie einigten sich in Abstimmung mit der Kommission darauf, gegen eine kleine Prämie als Versicherer einzuspringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2010)

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