Industrie will mehr gut qualifizierte Migranten

In der Industriellenvereinigung wünscht man sich verstärkten Zuzug von Fachkräften nach Österreich.

Den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken, das ist ein erklärtes Ziel der Industriellenvereinigung (IV). Ohne Migranten, das hat man dort erkannt, wird das nicht funktionieren. Daher setzt man sich mittlerweile nicht nur für ein kriteriengeleitetes Zuwanderungsmodell ein, sondern auch für eine effiziente Integrationspolitik. „Gerade die Industrie nimmt hier eine Haltung ein, die – entgegen dem österreichischen Trend – mehr die Chancen von Integration betont“, sagt Christian Friesl, Bereichsleiter Gesellschaftspolitik in der IV.

Tatsächlich bringt kulturelle Vielfalt viele Vorteile: Sie fördert erwiesenermaßen Innovation. Integration erleichtert das Rekrutieren von Mitarbeitern. Durch die Kontakte, die Zuwanderer in ihre Länder haben, können neue Marktsegmente erschlossen werden. Und „nicht zuletzt sind Zuwanderer auch Konsumenten“, erinnert Friesl.

Um Integration zu fördern, bedarf es einer Bewusstseinsbildung. Daher unterstützt die IV Initiativen wie den „Österreichischen Integrationspreis“ oder Stipendien für begabte Zuwandererkinder. „Bildung muss ein Schwerpunkt sein.“ Denn OECD-Studien zeigen: Österreich hat den niedrigsten Anteil an gut qualifizierten Einwanderern.

Wirtschaft als Partner

Befürchtungen der Wirtschaft, Arbeitskräftemangel könnte den wirtschaftlichen Aufschwung behindern, sind nicht neu. Jedoch: Laut Integrationsexperte Kenan Güngör hat man aus den Erfahrungen der Gastarbeiterbewegung gelernt und denkt längerfristig. Güngör ortet eine spannende neue Entwicklung. Bis vor einigen Jahren, meint er, schienen sich vor allem NGOs oder Grüne für die Situation von Migranten zu interessieren. „Früher hätte man die Wirtschaft nicht als Partner der Integration gesehen.“ Und ja, die Wirtschaft macht dies aus einem Eigeninteresse heraus, aber ihre pragmatischen Beweggründe sind mittlerweile breiter gedacht und ermöglichen interessante Kooperationen. Damit kommt Bewegung in die Debatte.

Laut Güngör könnten Interessenvertretungen wie die IV die Lücke schließen, die durch die Zögerlichkeit der großen Parteien entstanden ist. Die Wirtschaft bringt einen zukunfts- und nutzenorientierten Pragmatismusin eine sehr oft hysterisch und irrational geführte Ausländerdebatte.

Auf Pragmatismus basiert auch die Forderung nach einem flexibleren Zuwanderungsmodell, weg vom Fokus auf Quantität (Quoten), hin zu mehr Qualität. Schließlich befinden sich Unternehmen bereits in einem internationalen Wettbewerb um Schlüsselarbeitskräfte.

Laut IV-Vertreter Friesl ziehen qualifizierte Fachkräfte an Österreich vorbei. Länder wie Kanada werben aktiv um die Besten, bieten transparente Bedingungen, Aufenthaltssicherheit und Arbeitsmarktzugang für Familienangehörige. Ein transparentes Punktesystem könnte mehr Information bieten und vermeiden, dass Menschen mit falschen Erwartungen ins Land kommen.

Mehr Sinn habe auch die gleichzeitige Gewährung von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Sonst blieben Potenziale ungenützt. Und die Erfahrung zeige: Auch der Zugang zu Arbeit ist entscheidend, ob Integration erfolgreich verläuft.

Befürchtung: Mehr Arbeitslose

Doch was ist mit Befürchtungen, die Zahl der Arbeitslosen im Land könnte steigen? „Manche Branchen spüren bereits jetzt einen Fachkräftemangel“, so Friesl. Und dieser werde steigen. Für Unternehmer bedeute es, dass man gewisse Aufträge nicht bekommt.

Der IV gehe es aber nicht darum, die Zuwanderung zu erhöhen. Die Zahl der Asylwerber wäre auch nicht betroffen. Aber man müsse sicherstellen, dass vor allem diejenigen kommen, die die Wirtschaft auch braucht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2010)

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