Die Sehnsucht nach dem Ab-Hof-Laden

Das Fleisch wird in Paketen verschickt.
Das Fleisch wird in Paketen verschickt.(c) Clemens Fabry
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Die Nachfrage nach Direktvermarktung steigt. Betriebe werden immer professioneller.

Die Assoziation mit früher lässt sich beim Ab-Hof-Verkauf nur schwer vermeiden. Auch Micha Beiglböck kann sich noch gut daran erinnern, als seine Eltern früher einmal ein halbes Schwein beim Bauern gekauft und zu Hause zerlegt haben. Ganz früher wurde auf dem Hof der Großeltern auch selbst abgestochen. Heute betreibt Beiglböcks Cousin den Hof als Biobetrieb. „Bio-Schweinefleisch ist ja schwer zu bekommen. Ich hab mir gedacht, wieso macht er nicht mehr in der Direktvermarktung“, sagt Beiglböck, der in Graz aufgewachsen ist und Jus und Philosophie studiert hat.

Ihm und seinem Bruder habe es irgendwie leid getan, dass der Cousin zwar ein „super Produkt“, wie er sagt, herstelle, das aber dann an einen Fleischhauer für einen „Spottpreis“ verkaufe. Also haben sie die Bestellplattform Nahgenuss ins Leben gerufen, bei der Kunden direkt bei Biobauern einkaufen können. Da es um die Verwertung des ganzen Tieres geht, können keine Einzelteile, sondern nur Großpakete bestellt werden, etwa ein viertel Schwein, das portioniert und vakuumiert geliefert wird und vom Endverbraucher meist eingefroren und dann Stück für Stück verwendet wird. „Wir sind da vielleicht ein bisschen blauäugig herangegangen. Aber das ist wohl auch gut so. Hätten wir gewusst, wie viel Arbeit das ist, hätten wir Nahgenuss vielleicht nicht gegründet“, sagt Beiglböck. 2016 haben sie mit vier Landwirten begonnen, es wurden rasch mehr. Heute verkaufen rund 100 Biobauern an 2500 Kunden Fleisch (neben Schwein mittlerweile auch Rind, Geflügel, Lamm, Fisch und Wild). „Direktvermarktung ist vom Finanziellen her viel interessanter für den Landwirt. Wobei es nicht nur ums Geld geht, sondern auch um die Wertschätzung, die die Bauern durch direkte Rückmeldung bekommen“, sagt Beiglböck. Die Plattform ist erfolgsbeteiligt und erhält zwölf Prozent vom Verkaufspreis.

Professionalisierung. Auch wenn solche Bestellplattformen noch die Ausnahme sind, steigt doch das Interesse am direkten Bezug zwischen Landwirt und Konsument, besonders vonseiten der Konsumenten. Derzeit gibt es rund 36.000 Direktvermarkter in Österreich, weiß Martina Ortner von der Landwirtschaftskammer Österreich (von insgesamt 135.000 landwirtschaftlichen Betrieben). „17.000 Betriebe davon erwirtschaften mehr als die Hälfte ihres Einkommens mit Direktvermarktung“, sagt Ortner. Sie hat eine starke Professionalisierung bei den Direktvermarktern beobachtet. Das wird auch am Anteil der Direktvermarktung am Gesamteinkommen deutlich. Während dieser 2010 noch bei 22 Prozent lag, waren es 2016 schon 34 Prozent.

Eine genaue Definition für Direktvermarktung gibt es nicht. In der Landwirtschaftskammer zählen dazu all jene Betriebe, die eigene Urprodukte oder verarbeitete Produkte an den Endverbraucher, den Einzelhandel, die Gastronomie und in speziellen Fällen an den Großhandel (nur dann, wenn der Produzent als solcher angegeben ist) verkaufen. Der Verkauf an Handelsunternehmen, Molkereien oder die Verarbeitungsindustrie zählt nicht dazu. Die meisten Direktvermarkter haben sich auf mindestens drei Verkaufswege spezialisiert. 77 Prozent der Direktvermarkter haben einen Ab-Hof-Verkauf, gefolgt von Zustellung (18 Prozent) und Verkauf an die Gastronomie (16 Prozent). „Im Schnitt hat ein Direktvermarkter drei Produktgruppen und drei bis fünf Vermarktungswege.“

Am stärksten vertreten seien dabei Fleisch und Fleischprodukte. „Dann kommen Milch, Eier und leider etwas später Obst und Gemüse, obwohl gerade da die Nachfrage sehr groß ist.“ Obst und Gemüse seien allerdings am aufwendigsten zu produzieren und, da stark abhängig von klimatischen Verhältnissen, auch recht risikobehaftet. Die Nachfrage wäre aber da.

Insgesamt wird natürlich immer noch der Großteil der Lebensmittel an den Lebensmitteleinzelhandel und an Molkereien oder Schlachthöfe verkauft. Es gibt aber auch ein Ost-West-Gefälle bei der Direktvermarktung. „Eines, das genau umgekehrt ist, als man es vermuten würde. Im Osten des Landes, also ab Oberösterreich, hat die Direktvermarktung eine viel größere Bedeutung.“ Vor allem junge Landwirte seien an der Direktvermarktung interessiert. Und noch etwas fällt auf: „Dadurch, dass die Milchquote gefallen ist, ist die Direktvermarktung stärker geworden“, so Ortner. „Früher, in den 70er-Jahren, war ja die Marktordnung so, dass man gar nicht selbst verkaufen durfte, wenn man etwas an die Verarbeitungsindustrie abliefert.“ Dieses Früher wird allerdings heute selten gemeint, wenn es ums Einkaufen beim Bauern geht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2019)

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