Die 38-jährige Premierministerin Jacinda Ardern beweist Mitgefühl und Entschlossenheit – und tritt für ein strikteres Waffenrecht ein.
Wien/Wellington. Jacinda Ardern verlor keine Zeit mit der Ankündigung eines schärferen Waffengesetzes. Die Trauerfrist war noch nicht verstrichen, die Opfer des Terroranschlags in Christchurch waren nicht bestattet, da berief die neuseeländische Premierministerin ihre Regierung ein, um innerhalb von zehn Tagen ein rigideres Waffenrecht zu beschließen. Darunter fällt wohl die Einschränkung bis hin zum Verbot von automatischen und halb automatischen Waffen. In Neuseeland müssen sich Waffenbesitzer zwar registrieren, nicht jedoch ihre Waffen.
Ardern wollte die Dynamik der Ereignisse nutzen. Selbst Winston Peters, Vizepremier und Chef der nationalistischen Partei New Zealand First, gab seinen Widerstand auf. Er steht unter dem Eindruck des nationalen Schockzustands: „Unsere Welt hat sich für immer geändert. Deshalb werden sich auch unsere Gesetze ändern.“ Jacinda Arderns Labour Party hat sich nach der Parlamentswahl vor eineinhalb Jahren mit den Nationalisten zu einer Minderheitsregierung zusammengeschlossen, die von den Grünen toleriert wird.
Sie war als Verlegenheitskandidatin eingesprungen und führte die Partei zu einem Überraschungssieg. Als die 38-jährige Regierungschefin – von den Neuseeländern oft nur Jacinda genannt – nach der Geburt ihrer Tochter Neve te Aroha im vorigen Sommer eine sechswöchige Babypause einlegte, übernahm Peters die Amtsgeschäfte. Ardern ist die erste Premierministerin nach der 2007 ermordeten pakistanischen Politikerin Benazir Bhutto, die während der Regierungszeit ein Baby zur Welt brachte. Dieser Umstand brachte der Regierungschefin vom anderen Ende der Welt große Publicity ein – umso mehr, als sie ihre Tochter bei der UN-Generalversammlung im Herbst in New York in den Sitzungssaal mitbrachte. Sonst kümmert sich Clarke Gayford, Arderns Lebensgefährte und Moderator einer TV-Sportshow, hauptsächlich um das gemeinsame Kind.
Steinerne Miene statt Megawatt-Lächeln
Die Nachricht vom Attentat in Christchurch wischte schlagartig das Megawatt-Lächeln aus dem Antlitz der Premierministerin. Von der ersten Reaktion traf Jacinda Ardern mit steinerner Miene den richtigen Ton, setzte die richtigen Gesten. Sie sprach von einem der „dunkelsten Tage“ Neuseelands, pries es als Land der „Vielfalt, der Herzlichkeit, des Mitgefühls“ – und als „Heimat für jene, die unsere Werte teilen und Schutz brauchen“. Sie war unter jenen Adressaten, denen der Attentäter unmittelbar vor seinem Amoklauf sein Manifest zugeschickt hatte.
Inzwischen steht fest, dass der 28-jährige Australier Brenton Tarrant auf eigene Faust und ohne Komplizen gehandelt hat. Er will den Prozess, den er ohne Rechtsbeistand bestreiten wird, offenkundig in der Manier von Anders Breivik – seines norwegischen Vorbilds – zur Plattform für seine extremistischen Überzeugungen umfunktionieren.
Jacinda Ardern verkörpert dagegen das multikulturelle Neuseeland, das die lang vernachlässigten Ureinwohner der Maori einbezieht, wovon auch der Name ihrer Tochter Zeugnis gibt. Dass die Tochter einer Mormonenfamilie demonstrativ im schwarzen Kopftuch den Angehörigen der muslimischen Opfer Trost spendete, trug ihr Sympathien ein. Als Krisenmanagerin stellte sie die Stärke und Entschlossenheit der neuseeländischen Demokratie unter Beweis und strafte jene Kritiker Lügen, die sie wegen ihres kometenhaften Aufstiegs und der „Jacinda-Mania“ als „Sternenstaub“ bezeichneten.
Auf die Frage Donald Trumps, wie die USA Neuseeland in schwerer Zeit unterstützen könnten, antwortete Ardern: „Mit Sympathie und Liebe für die muslimischen Gemeinden.“ Bei ihrem ersten Treffen hatte der US-Präsident sie noch für die Frau des kanadischen Premiers, Justin Trudeau, gehalten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2019)