Die Ausdehnung des Kopftuchverbots

„Wenn man es als Mädchen bereits trägt, wird man es nicht mehr abnehmen“, so Aktivistin Zana Ramadani zum Kopftuch.
„Wenn man es als Mädchen bereits trägt, wird man es nicht mehr abnehmen“, so Aktivistin Zana Ramadani zum Kopftuch. (c) Getty Images/EyeEm (Ab Rahman Awang / EyeEm)
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Im Kindergarten ist das Tragen des Kopftuches bereits verboten. Nun soll das Gesetz für die Volksschule kommen. Zur Not auch gegen die Opposition – aber ohne Machete.

Wien. „Den Kopf hat man schnell verhüllt. Das Kopftuch wieder abzunehmen ist aber die Hölle.“ Deshalb müsse der Staat das Kopftuch in Kindergärten und Schulen verbieten. „Denn wenn man es als Mädchen bereits trägt, wird man es auch nicht mehr ablegen“, sagte die deutsche Frauenrechtsaktivistin Zana Ramadani. Genau solch plakative Warnungen hat sich die Regierung wohl erwartet. Sie hat die Autorin des Buches „Die verschleierte Gefahr“ zum Expertenhearing im Unterrichtsausschuss, das gestern stattfand, eingeladen.

Dort kämpfte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) um Zustimmung der Opposition zu dem Initiativantrag. Im Vorjahr wurde das Kopftuch mittels 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern bereits in den Kindergärten verboten. Nun sollen die Volksschulen folgen. Konkret soll dort „das Tragen weltanschaulicher oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist“ untersagt werden. So steht es im Entwurf. Das Kopftuch wird nicht explizit erwähnt. Das wäre rechtlich heikel.

Diese Maßnahme gehe „nicht gegen jemanden“, auch gegen keine einzelne Religionsgemeinschaft, sagte Faßmann vor dem Hearing. Vielmehr sei es „der Entwurf eines gemeinsamen gesellschaftlichen Bauplans“ – dazu würden auch die Säkularität und die Gleichstellung von Mann und Frau gehören. Einen solchen Bauplan würde es in einer Einwanderungsgesellschaft, wie es sie in Österreich gebe, brauchen. Manche würden die Debatte um das Kopftuch bei Kindern als „Recht der elterlichen Erziehung“ sehen, er sehe es „unter dem Gesichtspunkt der Unterwerfung unter Rollenstereotype“.

Es handle sich beim Kopftuch weder um „ein einfaches Kleidungsstück noch um eine kulturelle Praxis“, sagte auch der von der Regierung geladene Professor für Rechtswesen und Ethik im Islam an der Uni Wien, Ebrahim Afsah, vor Journalisten. Vielmehr sei es ein „modernes, politisches Symbol“, Zeichen einer ideologischen Ausbreitung eines sehr spezifischen Islam. In diesem Kontext müsse man die Debatte sehen. Außerdem gebe es „kein theologisches Gebot, nicht geschlechtsreife Frauen zu verhüllen“.

So sieht das auch die Regierung. Konkret will sie das Tragen eines Kopftuch bis zum Alter von zehn Jahren verbieten – in öffentlichen Schulen. Privatschulen könnten eigene Vorschriften erlassen. Einen verstärkten Zulauf erwartet der Minister dort nicht. In letzter Konsequenz soll es Strafen für Eltern geben, die ihr Kind mit Kopftuch in die Schule schicken. Bis zu 440 Euro sollen es sein.

Opposition mehr als skeptisch

Schon einmal wurde der Initiativantrag zum Kopftuchverbot im Unterrichtsausschuss vertagt. Die Regelung sollte als Verfassungsbestimmung, also mit den Stimmen der SPÖ oder der Neos, beschlossen werden. Doch die Zustimmung blieb damals aus. Auch diesmal zeigten sich sowohl SPÖ als auch Neos äußerst skeptisch. Das Expertenhearing sei „eine Scheinaktion, weil die Regierung wie jedes Mal keinen Beistrich ändern wird, egal was die Experten sagen“, so SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid. Dafür sei man „nicht zu haben“, sagte auch Douglas Hoyos, der Bildungssprecher der Neos, zur „Presse“.

Grundsätzlich sei man natürlich dagegen, dass kleine Mädchen gezwungen werden, Kopftuch zu tragen. Verbote und Strafen allein seien aber zu wenig, hieß es aus beiden Parteien. Es brauche ein Integrationspaket – dazu würden mehr Sprachförderung und mehr Sozialarbeiter zählen. Zu einem Gespräch darüber seien ÖVP und FPÖ allerdings nicht bereit gewesen, beklagten sowohl Hammerschmid als auch Hoyos.

Das Ministerium scheint bereits einen anderen (von den Oppositionsparteien unabhängigen) Weg zum Ziel gefunden zu haben. Es brauche für die Einführung des Kopftuchverbotes gar kein Gesetz im Verfassungsrang. Es sei auch ein einfachgesetzlicher Beschluss möglich, sagt der Leiter des Verfassungsdienstes, Gerhard Hesse.

Die Wünsche von Minister Faßmann gehen übrigens noch viel weiter. Auch im öffentlichen Dienst würde er sich ein weltanschaulich, ideologisch und religiös neutrales Auftreten erwarten. Richterinnen, Polizistinnen und Lehrerinnen (mit Ausnahme von Religionslehrerinnen) sollten kein Kopftuch tragen.

Das Kopftuchverbot für Schülerinnen soll vorerst nicht über das Alter von zehn Jahren ausgedehnt werden. Im Volksschulalter sei man laut Faßmann rechtlich auf der „sicheren Seite“. Danach stehe man „im stärkeren Spannungsbogen mit der Religionsfreiheit“. Deshalb sei er hier zögerlich. „Ich bin nicht einer, der mit der Machete kämpft“, sagte Faßmann und wurde darauf von Aktivistin Ramadani unterbrochen: „Die Machete zu benützen, dafür bin ich da.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2019)

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